Porträt Putins Aschenputtel

Moskau · Elvira Nabiullina gilt als eine der besten Zentralbankchefinnen der Welt. Sie übernahm den Posten, der bald zum Krisenkommando geriet, 2013.

 Wichtigste Frau der russischen Wirtschaft: Elvira Nabiullina.

Wichtigste Frau der russischen Wirtschaft: Elvira Nabiullina.

Foto: picture alliance / dpa

Eine kleine blasse Frau mit Brille, schlichtem Mittelscheitel und einem Make-up, das nur aus einem dünnen roten Strich auf ihren Lippen besteht. Bei ihren seltenen Interviews antwortet sie mit dem Ernst einer Musterschülerin, die bescheiden bleibt, obwohl sie weiß, dass sie keine Frage fürchten muss. „Langweilerin“ hat sie sich selbst einmal genannt.

Elvira Nabiullina, 53, ist als Chefin der Zentralbank die wichtigste Frau der russischen Wirtschaft. Der Economist nennt sie Putins rechte Hand, die russische Massenzeitung Argumenty Nedeli Putins böse Fee. Tatsächlich ist sie eine der letzten Liberalen in seiner Mannschaft. Viele Experten geben Nabiullina die Schuld daran, dass der Rubel seit ihrem Amtsantritt im Juni 2013 gegenüber dem Dollar glatt die Hälfte seines Wertes verloren hat. Andere aber versichern, sie habe den Rubel gerettet.

Nabiullina, verheiratet, ein Sohn, zwei Stiefkinder, wuchs in der Uralstadt Ufa als Kind tatarischer Fabrikarbeiter auf, glänzte in der Schule, später an der Wirtschaftsfakultät der Moskauer Staatsuniversität, mit Bestnoten. 2000 wurde sie stellvertretende Wirtschaftsministerin, 2008 Ministerin. Ehemalige Kollegen und Vorgesetzte loben sie als bestens organisiertes Arbeitstier, das Konflikte, Intrigen, aber auch öffentliche Auftritte meide. Kein Charisma, aber geballte Kompetenz.

Wladimir Putin vertraute ihr 2013 den Vorsitz über die Zentralbank Russlands an. Der Posten geriet bald zum Krisenkommando. Erst begann der Ölpreis zu purzeln, dann der Rubel, danach verlor die russische Wirtschaft durch die Sanktionen den Zugang zu westlichen Krediten. Anfangs versuchte Nabiullina gegen die Rubelkrise zu intervenieren, 2014 gab die Zentralbank 80 Milliarden Dollar für Stützungskäufe aus, ohne großen Erfolg. Es hagelte Kritik, ihr Vorgänger Viktor Geraschtschenko erwiderte auf die Frage, was er an Nabiullinas Stelle täte: „Ich würde mich erschießen.“

Bis auf einjähriges Intermezzo bei der Promtorgbank 1998/99 besaß die neue Notenbankerin keine Erfahrungen in der Branche. „Sie hatte anfangs auch kein Programm, machte in den ersten eineinhalb Jahren viele taktische Fehler“, sagt der Moskauer Finanzexperte Dmitri Miroschnitschenko. Forderungen wurden laut, den Rubelkurs wie zu Sowjetzeiten einzufrieren, oder zumindest den hohen Leitzins drastisch zu senken, Nabiullina hörte nicht darauf. Im Gegenteil, als der Rubel Ende 2014 immer steiler abwärts schoss, hob sie den Leitzins von 10,5 Prozent auf 17 Prozent an, stoppte außerdem alle Stützungskäufe. Es half. Der Kurs, damals schon nahe der Marke 100 Rubel pro Euro, stabilisierte sich, liegt heute bei 70,5 Rubel. Nabiullina hält an Zinspolitik fest, wie sie es nennt, sie will vor allem die Inflationsrate senken. Die ist von knapp 13 Prozent im vergangenen Jahr auf 6,4 Prozent gefallen.

„Kein anderer hätte es auf dem Höhepunkt der Krise besser machen können“, sagt Miroschnitschenko. „Und danach auch.“ Er und andere Experten loben Nabiullina, sie habe das Regelwerk des russischen Banksystems gründlich reformiert. Seit ihrem Amtsantritt entzog sie 284 russischen Banken die Lizenz, wegen Geldwäsche, Bilanzfälschungen oder anderen Verstößen.

Nabiullina, laut der Zeitschrift Euromoney Zentralbankchefin des Jahres 2015, bleibt bescheiden. Sie ist das Aschenputtel in Putins Team, eine hoch befähigte Leistungsträgerin, die sogenannte Patrioten aber jederzeit für alle wirtschaftlichen Verfehlungen des Kremls beschimpfen dürfen.

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