Europäische Union Präsidentschaft Rumäniens mit vielen Fragezeichen belegt

Brüssel · Mit Rumänien tritt im Januar ein Land an die Spitze der EU, das von innenpolitischem Streit und Korruptionsvorwürfen geprägt ist.

 Im Dauerkonflikt mit der Regierung: Staatspräsident Klaus Johannis.

Im Dauerkonflikt mit der Regierung: Staatspräsident Klaus Johannis.

Foto: picture alliance / Maurizio Gamb

Das Zeugnis hätte kaum schlechter ausfallen können. Als die Brüsseler EU-Kommission im November den turnusmäßigen Bericht über die Situation in Rumänien präsentierte, hagelte es schwere Vorwürfe.

Die vor zwei Jahren eingeleitete Rechtsreform schwäche „die Garantien für eine unabhängige Justiz und unterminiere die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten“, hieß es in dem Papier. Besonders drastisch: Die amtierende Regierung habe Gesetzesverfahren „heimlich und ohne ausreichende Einbeziehung des Parlaments“ durchziehen wollen.

Auch die Opposition geht seither immer wieder auf die Barrikaden, weil sie eine Straffreiheit für korrupte Beamte fürchtet. Verärgert reagierte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Viorica Dancila (55) und warf Brüssel „Diskriminierung“ vor. Ihr Mentor, Parteichef Liviu Dragnea (56), stützte sie. Staatspräsident Klaus Johannis (59) von den Konservativen schaltete sich ein und hielt der eigenen Führung vor, nicht ausreichend auf die EU-Ratspräsidentschaft vorbereitet zu sein. Seitdem wollen ihn Abgeordnete der Regierungspartei wegen „Hochverrats“ vor Gericht zerren. Die Auseinandersetzungen zogen Kreise bis ins Europäische Parlament.

Daniel Caspary, Chef der CDU-Abgeordneten in der EU-Volksvertretung, betonte: „Eine Regierung, welche die Unabhängigkeit und die Korruptionsbekämpfung mit Füßen tritt, kann per se keine Vorbildfunktion einnehmen.“ Das scheint tatsächlich fraglich. Der liberale rumänische EU-Parlamentarier Siegfried Muresan kritisierte sein Land öffentlich: „Die Regierung ist optimistisch, dass sie die Ratspräsidentschaft meistern kann. Diesen Optimismus teile ich nicht.“ Ein Bericht des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament listet rund 4000 Fälle von Korruption auf.

Zentrale Fragen wie der Brexit werden verhandelt

Ausgerechnet diese Regierung wird ab 1. Januar 2019 für sechs Monate als Ratspräsident an der Spitze der EU stehen – und dabei so zentrale Fragen wie den Brexit und die Erstellung eines Haushaltsrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 zu bearbeiten haben. Allzu große Fortschritte werden den Politikern aus Bukarest nicht zugetraut. Das wiegt schwer – vor allem nach dem wenig erfolgreichen zweiten Halbjahr 2018, als Österreich seine „handwerklich gute Bilanz“ (so der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok) mit dem Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt verhagelte. Brok: „Die rumänische Präsidentschaft wird es auch schwer haben, die Rolle des neutralen Vermittlers glaubwürdig auszufüllen.“

Dabei bräuchte die Union gerade in unruhigen Zeiten wie mitten in einem Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten oder den immer noch angespannten Beziehungen zu Russland eigentlich eine starke Führungskraft. Immerhin moderiert ein Land, das die Ratspräsidentschaft innehat, nicht nur die Ministerratssitzungen der Union. Es bereitet auch Kompromisse inhaltlich vor und kann Themen auf die Tagesordnung setzen – oder eben nicht. Das ist eine Rolle, aus der man etwas machen kann. Doch darauf muss die Gemeinschaft noch warten. Anfang 2020 übernimmt Kroatien die Regie, das gerade erst wegen seines Vorgehens gegen Flüchtlinge in die Kritik geraten ist. Erst im zweiten Halbjahr 2020 dürfte es wohl wieder ruhiger werden: Dann ist Deutschland an der Reihe. Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nach 2007 zum zweiten Mal an der Spitze der EU – ein seltener Fall. Nur wenige Staats- oder Regierungschefs waren vergleichbar lange im Amt.

Das rumänische Arbeitsprogramm für die Zeit in der ersten Reihe der europäischen Mitgliedstaaten enthält wenige Überraschungen. Nur in einem Punkt setzen viele Nachbarländer auf die Minister aus Bukarest: Wie der Großteil der übrigen EU auch braucht Rumänien viel Geld aus den regionalen Fördertöpfen für sich selbst. Das könnte dazu führen, dass allzu tiefe Einschnitte in den Etat für diesen Bereich vermieden werden.

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