Treffen in San Francisco Politiker und Konzernchefs in den USA für Klimaschutz

San Francisco · In San Francisco haben sich Bürgermeister, Gouverneure und Konzernchefs getroffen, um den Klimaschutz voranzubringen. Einige Vertreter deuteten dabei fast revolutionäre Veränderungen an.

Der Klimawandel schreibt eine Geschichte, in der die Täter Zehntausende Kilometer weit weg von den Opfern leben, die kaum klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt haben. Einige Akteure sind aber auch Täter und Opfer zugleich. Etwa die industrielle Landwirtschaft, insbesondere die Massentierhaltung; sie erzeugt intensiv wirkende Treibhausgase – und leidet unter zunehmenden Hitzewellen und dauerhafter Trockenheit. Futter wird immer teurer. Oder die Stadtmenschen. Seit 2008 bilden sie die Mehrheit auf dem Globus. Und der Trend hält an: Nach der jüngsten Prognose des UN-Bevölkerungsfonds werden 2050 zwei Drittel der Menschheit Städter sein, bereits 2030 wird es 43 Megacities mit jeweils mehr als zehn Millionen Einwohnern geben.

Städte sind Hotspots der Treibhausgas-Emissionen. Sie machen zwar nur zwei Prozent der Erdoberfläche aus, verbrauchen aber 75 Prozent der weltweiten – meist fossilen – Energie und verursachen entsprechend viele wärmende Gase. Die Städte der Welt sind – Verkehr, Gebäude, Industrie, Nahrungsimport – eine Klima-Großmacht, und ihre Bewohner ächzen besonders während einer Hitzewelle. Stein, Beton, Asphalt: Alles speichert die Tageswärme exzellent und wärmt die Nacht. So entstehen Wärmeinseln, die Infrarotsensoren im All kräftig ausschlagen lassen.

Weil die Ballungsräume mit fortschreitendem Klimawandel absehbar zu Leidenszonen werden, haben sich bereits 2005 die 40 größten Städte der Welt im Netzwerk „C40 Cities Climate Leadership Group“ organisiert. Ziele: Zum einen wollen sie weniger Treibhausgase freisetzen, zum anderen müssen sie sich gegen das Unvermeidliche wappnen – und anpassen. Auch die C40-Bürgermeister und viele andere, etwa Bonns OB Ashok Sridharan, waren bis zum vergangenen Wochenende in San Francisco, dazu Konzernchefs, Vertreter der Zivilgesellschaft und Klimaaktivisten, insgesamt mehr als 4000 Entscheider und Multiplikatoren. Botschaft: Wir wehren uns und werden vorangehen, egal was die beim Klimaschutz chronisch zaudernden Regierungschefs beim nächsten UN-Klimagipfel beschließen oder nicht.

Wahl des Veranstaltungsortes als Botschaft

Die Extremhitze des vergangenen Sommers auf der Nordhalbkugel hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass weiteres Zögern und Vertagen bei „der größten Herausforderung unserer Zeit“, so UN-Generalsekretär António Guterres, schnurstracks in eine Situation führt, in der alles außer Kontrolle gerät. US-Schauspieler Harrison Ford rief den Delegierten zu: „Hören wir um Gottes Willen auf, die Wissenschaft schlecht zu machen; hören wir auf, denen die Macht zu geben, die nicht an die Wissenschaft glauben.“ Aber auch: „Wir können so viele Solarpanels auf unseren Dächern anbringen und Elektroautos bauen – so lange es auf Sumatra brennt, sind wir gescheitert.“

San Francisco, Kalifornien, US-Westküste, Teil jener Vereinigten Staaten, deren Präsident Donald Trump den Klimawandel mal als „Naturkatastrophe“, mal als „Erfindung der Chinesen“ bezeichnet. Insofern war allein die Wahl des Veranstaltungsortes auch eine Botschaft: Wir können auch ohne Trump. Dessen Umweltpolitik grenze an „Kriminalität“, sagte Jerry Brown. Der Gouverneur des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaats Kalifornien hatte gemeinsam mit Michael Bloomberg, Ex-Bürgermeister von New York, das Treffen organisiert. Brown über Trump: „Lügner, Krimineller, Verrückter – wählen Sie die Bezeichnung.“ Brown legte vor: Kalifornien werde bis 2045 nur noch Energie aus erneuerbaren Quellen und keinerlei Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) aus Wirtschaft und Industrie mehr zulassen.

Schon 20 Jahre früher, 2025, will Eric Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles, keinen Strom aus Kohle mehr akzeptieren, auch nicht für Wirtschaft und Industrie. „Wir steigen aus den Fossilen aus. Das ist real, und wir werden es tun, selbst wenn Washington es nicht tut“, sagte Garcetti. So weit wollten die Vertreter aus Seoul, Rotterdam, Tokio, Paris, London, Barcelona und Mexiko-Stadt sich nicht aus dem CO2-Sparfenster hängen, aber sie versprachen, dass der öffentliche Nahverkehr bis 2025 keinen Sprit mehr verbrennt. In einem Wort: Elektrobusse. Auch 140 multinationale Unternehmen, wie etwa der Elektronikriese Sony, wollen bis 2030 schrittweise jegliches CO2 aus ihren Produktions- und Lieferketten verbannen.

Trumps Rhetorik scheitert an Marktgesetzen

Es scheint, als habe Trump mit seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und seinem Dinosaurier-Kampf um Kohle-Arbeitsplätze und -Wahlstimmen unerwartet einen Gegenreflex provoziert. Der Kompass von immer mehr Kommunen, Bundesstaaten und Unternehmen ist auf Klimaneutralität geeicht. Vor zehn Jahren sagte Ray Gindroz, US-Architekt und -Stadtplaner, auf einer Konferenz in Oslo zur Rolle der USA beim Klimaschutz: „Die schlechte Nachricht ist: Wir sind das Problem. Die gute Nachricht: Wir wissen das.“ Das neue CO2-Bewusstsein hat in einem Jahrzehnt überraschend viel erreicht: Die USA waren 2017 das Land, das in absoluten Zahlen und trotz Trump das meiste CO2 einsparte, belegen aber nach dem Pro-Kopf-Ausstoß weiter einen Spitzenplatz.

Nach einer Analyse der Internationalen Energie-Agentur (IEA) beruht der amerikanische Klimaschutzerfolg jedoch weniger auf einem Bewusstseinswandel als auf der Tatsache, dass zunächst via Fracking gewonnenes Erdgas (mit weniger CO2-Emission als Kohle) Amerikas Kohlekumpel arbeitslos machte und inzwischen Energie aus Sonne und Wind günstiger sei als jene aus der Kohleverstromung. Trumps Rhetorik, den „Krieg gegen die Kohle“ zu beenden, scheitert also an Marktgesetzen – und dem unabhängig von Washington umgesetzten Willen der Bundesstaaten, die erneuerbaren Energien weiter zu fördern.

Bonns OB Sridharan beeindruckte in San Francisco neben „dem wertvollen Austausch von Klimaschutz-Ideen“ vor allem Richard Trumka: „Der US-Gewerkschaftsboss, selbst in dritter Generation Bergwerk-Arbeiter, erklärte in seiner Rede, warum auch seine Gewerkschaft für den Kohleausstieg sei: Weil er für die Kumpel in den USA ein gesundes Leben in einer gesunden Umwelt ermöglichen wolle.“

Anachronistische Bilder aus Deutschland

Der Klimaschutz „von unten“ ist lange belächelt worden. Doch urbane Ballungsräume sind eben eine CO2-Großmacht, was auch eine rechnerische Sisyphusarbeit belegt. Das Kölner New Climate Institute, niederländische Umweltbeamte und Forscher der Yale University in New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) haben alle weltweiten CO2-Sparpläne von Kommunen, Regionen und Unternehmen erfasst und hochgerechnet. Würden aus allen Vorhaben Taten, lautet das Ergebnis: „Die weltweiten Emissionen im Jahr 2030 lägen etwa um ein Drittel niedriger als jene aufgrund der aktuellen Politik nationaler Regierungen.“

Letztere sollten die Dynamik „von unten“ mit einer einheitlichen globalen CO2-Steuer flankieren, wie sie seit Langem Wirtschaftswissenschaftler fordern. 40 bis 80 Dollar pro Tonne CO2 ab 2020, da sind sich die Top-Ökonomen der Welt einig, wären ein effektives Instrument. Nur so ließe sich über die Erneuerbaren „die Wachstumsstory des 21. Jahrhunderts“ schreiben, sagte Lord Nicholas Stern, Ex-Chef-Ökonom der Weltbank, in San Francisco – aber auch nur so sei das ambitionierte Zwei-Grad-Ziel der Weltgemeinschaft doch noch zu erreichen. Eine Treibhausgassteuer, die Lachgas (Kunstdünger) und Methan (Rinderhaltung) einbezieht, würde auch das 1,98-Euro-Schnitzel verabschieden.

Während zwei Wirbelstürme im Südosten der USA und auf den Philippinen Millionen Menschen bedrohten, wirkten die Nachrichten und Bilder aus Deutschland auf die Delegierten geradezu anachronistisch: Das Geschehen im Hambacher Forst, wo CO2-speichernde Bäume dem Braunkohleabbau weichen sollen und der Rechtsstaat das fossile Auslaufmodell durchsetzt, passen besser zu Trump als zur einstigen Klimaschutz-Vorreiternation, wo die Emissionen trotz Energiewende verkehrsbedingt weiter wachsen. Ob eine schmerzhafte CO2-Steuer, die die Bilanzen trübt und heute nur in kaum spürbarer Form existiert, den Rodungsehrgeiz verringert hätte?

In den Städten geht es aber nicht nur um CO2-Vermeidung, sondern auch um Anpassung. Wie können Menschen in den Stein-Beton-Asphaltschluchten überleben, ohne durch Klimaanlagen den Energieverbrauch hochzuschrauben? Eine Idee geht auf Physik-Nobelpreisträger Steven Chu zurück, aber im Grunde auf die alten Griechen, die auf ihren Inseln ihre Gebäude schon immer weiß tünchten. Chu, unter US-Präsident Barack Obama Energieminister, hatte 2009 eine Umfärbung der Welt vorgeschlagen, alle Dächer, die rund 40 Prozent einer Stadtfläche ausmachen, seien einzuweißen. So würde eine Stadt – wie Schnee und Eis – fast 90 Prozent der eingehenden Sonnenstrahlung ins All reflektieren.

Weißer statt schwarzer Asphalt

Garcetti experimentiert dazu schon einmal in Los Angeles, allerdings mit Asphalt, der in seiner klassischen Schwarzversion in Sommernächten wie eine Fußbodenheizung wirkt. „Coolseal“ heißt die Spezialfarbe, Hersteller Guardtop verspricht „sechs bis sieben Grad weniger“, der weiße Asphalt erhitze sich dann nur auf 36 statt auf 43 Grad Celsius.

Andere favorisieren mehr Grünflächen, mehr Verdunstungskälte durch begrünte Fassaden und mehr Bäume. Studien zeigen indes, dass das sogenannte Stadtgrün wenig bringt, wenn es sich in einem großen Park konzentriert. Vielmehr müssen Alleen, Wiesen und Sträucher einen Stadt-Organismus wie grüne Adern durchziehen.

Auch die Transportenergie für alle Versorgungsleistungen bleibt ein riesiges CO2-Problem. Die Stadt muss Lebensmittel produzieren. „Skyfarming“ in Wolkenkratzern, ein in Stockwerken gestapelter Kunstacker, erscheint ökologisch wie ökonomisch als ein möglicher Ausweg. Nährlösungsdämpfe ersetzen den Humus und LED-Lampen die Sonne. An Ideen mangelt es nicht.

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