Virtueller Wahlkampf Politiker schöpfen die Möglichkeiten des World Wide Web noch nicht voll aus

Das gute alte Wahlplakat hat in seinem langen Leben schon so manche Konkurrenz bekommen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde es gezielt von der Politik eingesetzt. Und trotz Radio, Fernsehen oder Flyern - auch im Bundestagswahlkampf 2013 ist es aus dem Straßenbild nicht wegzudenken.

 Der Wahlkampf findet - wie die Karikatur zeigt - mittlerweile auch im Netz statt und erreicht den Bürger theoretisch zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er muss nur den Laptop, das Tablet oder Smartphone einschalten.

Der Wahlkampf findet - wie die Karikatur zeigt - mittlerweile auch im Netz statt und erreicht den Bürger theoretisch zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er muss nur den Laptop, das Tablet oder Smartphone einschalten.

Foto: Burkhard Mohr

Doch laut aktuellen Umfragen verliert es immer mehr an Bedeutung, weil seine Botschaften von immer weniger Bürgern wahrgenommen werden.

Gleichzeitig sind durch das Internet völlig neue Möglichkeiten der Kommunikation entstanden, die auch die Politik nutzt. Die digitale Revolution hat nicht nur für die Entstehung einer neuen Partei, der Piratenpartei, gesorgt. Sie hat auch für Politiker völlig neue Möglichkeiten eröffnet, sich mitzuteilen und direkt mit der Zielgruppe, den Wählern, in Kontakt zu treten.

Der Wahlkampf findet mittlerweile auch im Netz statt und erreicht den Bürger theoretisch zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er muss nur den Laptop, das Tablet oder Smartphone einschalten.

Über die eigene Homepage, per E-Mail oder soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook können nicht nur politische Inhalte transportiert, sondern auch ganz neue, vor allem jüngere Wählerschichten erreicht werden.

Erstmals eine bedeutsame Rolle spielte diese Entwicklung im Präsidentschaftswahlkampf in den USA im Jahr 2009. Revolutionär war damals nicht nur, dass es mit Barack Obama der erste Schwarze geschafft hatte, Präsident zu werden. Revolutionär war auch, welcher Mittel er sich im Wahlkampf bedient hatte. Sein Team verstand es meisterhaft, nicht nur politische, sondern auch emotional aufgeladene, bildhafte Botschaften über verschiedene Kanäle zu verbreiten. Auch bei seiner Wiederwahl profitierte Obama von dieser Art Wahlkampf.

Der sogenannte Obama-Effekt treibt auch deutsche Politiker verstärkt ins Netz. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat eine Statistik veröffentlicht, wonach 90 Prozent der Parlamentarier auf Bundesebene soziale Netzwerke nutzen. Hauptmedium dabei ist Facebook, gefolgt von Twitter.

Klaus Eck, Initiator von Wahlkampfanalyse.de, der den Wahlkampf im Netz beobachtet, sieht in Deutschland aber noch keine herausragende Bedeutung von sozialen Netzwerken: "Die Parteien bemühen sich, erreichen aber oft nur ihre eigene Klientel, nicht aber eine breite Öffentlichkeit." Eck kritisiert, dass die Parteien oft einfach alte Inhalte auf neuen Kanälen verbreiten würden, ohne dass eine Kommunikation mit den Bürgern stattfinde.

Nur einzelne wie Umweltminister Peter Altmaier (CDU) oder Grünen-Politiker Volker Beck würden soziale Netzwerke auch zur direkten Kommunikation nutzen. "In Deutschland erreichen die Politiker die Menschen vor allem noch über die klassischen Medien", sagt Eck. Doch die direkte Kommunikation mit den Bürgern werde immer wichtiger. "Schon im Bundestagswahlkampf 2017 kann das eine sehr große Rolle spielen."

Allerdings nimmt der Wahlkampf im Netz auch erst seit Kurzem Fahrt auf. Die Wirtschaftswoche hat festgestellt, dass es in den vergangenen beiden Wochen gut 100.000 politische Twitter-Nachrichten und mehr als 30 000 politische Facebook-Nachrichten gab. Zuvor waren es rund 70.000 (Twitter) und 20.000 (Facebook).

Gerade die Sozialdemokraten haben jüngst aufgeholt. Die Zustimmungswerte von Peer Steinbrück liegen im Netz, anders als es die Wahl-Umfragen voraussagen, vor denen von Angela Merkel.

Dass die Rolle des Web im deutschen Wahlkampf nicht annähernd so bedeutsam ist wie in den USA, habe aber auch grundlegendere Ursachen, sagt die Bonner Medienwissenschaftlerin Jessica Einspänner. "In den USA geht es schlichtweg mehr um die Personen. In Deutschland stehen nach wie vor die Parteien, die Programme und Themen im Mittelpunkt." Zudem seien die sozialen Netzwerke in Deutschland insgesamt weit weniger verbreitet. Zwar steigt die Zahl der deutschen Facebook-Nutzer weiterhin: Im Juni waren es 26 Millionen.

In den USA sind aber rund 168 Millionen Nutzer, also 50 Prozent der Bevölkerung, dort aktiv. Noch weniger verbreitet ist Twitter: Nur rund 2,4 Millionen Deutsche nutzen den Dienst. Eine Umfrage von Infratest Dimap hat jüngst zudem ergeben, dass nicht einmal jeder fünfte Wahlberechtigte in Deutschland über soziale Medien von Parteien und Volksvertretern angesprochen werden möchte. Das gute alte Wahlplakat hat also so noch nicht ausgedient.

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