Anschlag auf BVB-Mannschaftsbus Perfider Versuch ohne Aussicht auf Ertrag

Dortmund · Experten von der Börse erklären, weshalb der Tatverdächtige Sergej W. mit seinen Optionsscheinen falsch kalkuliert hatte.

 Beim Anschlag auf den BVB-Mannschafsbus wurde Verteidiger Marc Bartra verletzt.

Beim Anschlag auf den BVB-Mannschafsbus wurde Verteidiger Marc Bartra verletzt.

Foto: dpa

Der Fall des BVB-Attentäters lässt selbst hartgesottene Börsianer erschrecken. „Eine absolut asoziale, widerwärtige Tat“ nennt das etwa Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank. „Wissentlich auch den Tod von Spielern in Kauf zu nehmen, um damit den Aktienkurs des BVB zum Fallen zu bringen – das ist eine neue Dimension in Deutschland.“ Sergej W., der 28-jährige Verdächtige, hatte sich auf Kredit 15.000 Put-Optionen gekauft. Mit Optionen wettet man auf einen bestimmten Kursverlauf, mit Call-Optionen auf steigende Kurse, mit Put-Optionen auf fallende. Diese Kursbewegung wollte Sergej W. durch den Bombenanschlag auslösen.

Solche Optionen sind in normalen Börsenzeiten, wenn keine ungewöhnlichen Kursereignisse zu erwarten sind, für wenige Cent zu kaufen. Am Tag des Anschlags stand die BVB-Aktie bei 5,61 Euro. Wäre sie stark gefallen, hätte der Optionsschein überproportional an Wert gewonnen. Das liegt am „Hebel“. Denn man kann Optionsscheine mit verschiedenen „Kennzahlen“ kaufen. Die geben an, in welchem Verhältnis ein Optionsschein die Kursbewegung der Aktie nachvollzieht: Verliert eine Aktie etwa ein Prozent an Wert, dann würde ein Put-Optionsschein mit der Kennzahl Fünf das Fünffache an Wert gewinnen.

Hinzu kommt, dass solche Optionsscheine sich auf eine, aber auch auf mehrere Aktien beziehen können. Somit hätte der Täter, wäre sein perfider Plan aufgegangen, nach einem Kurssturz ein Vielfaches seines Einsatzes gewinnen können. Das aber nur theoretisch, sagt Stefan Müller, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Wertpapieranalyse (DGWA). Denn die Mechanismen der Aufseher seien inzwischen sehr effizient: Zum einen hatte die Bank von Sergej W. die Optionskäufe sofort gemeldet.

Zum anderen seien auch die Gegenparteien sehr aufmerksam: Eine so hohe Zahl an Optionen auf fallende Kurse zu kaufen, würde den Partner misstrauisch machen. Und außerdem hätten die Banken wahrscheinlich die Auszahlung des „Gewinns“ verweigert: „Sie hätten innerhalb der zwei Tage, die er hätte warten müssen, bis das Geld auf seinem Konto ist, wahrscheinlich das Geld gesperrt“, erklärt Müller: „Von daher ist der Versuch rein aus handelstechnischen Hintergründen komplett sinnlos gewesen.“

Aus Sicht der Finanzaufsicht liegt in diesem Fall das Delikt des Insiderhandels vor, erklärt Sebastian de Schmidt von der Bafin. Man müsse davon ausgehen, dass der Täter einen Wissensvorsprung hatte, weil er von dem bevorstehenden Anschlag wusste und deshalb auf fallende Kurse spekulierte.

Ein solcher Fall ist in der deutschen Börsengeschichte bisher nicht bekannt. Experten vermuten, dass nach dem 11.September, dem Anschlag auf das World Trade Center, Osama bin Laden und einige Komplizen sich vermutlich über Optionsscheine ebenfalls am Absturz der weltweiten Börsenkurse bereichert haben. In anderen Fällen von Insiderhandel geht es etwa um bevorstehende Übernahmen, die den Aktienkurs einer Firma steigen lassen. Immer wieder versuchen Anleger auch, über Gerüchte und üble Nachrede Kurse zu beeinflussen. Das weiß man seit der Zeit der Finanzkrise. Inzwischen aber schauten die Aufsichtsbehörden genauer hin, meint Halver von der Baader-Bank. Bis sie einschreiten, können die Gerüchte den Unternehmen jedoch bereits großen Schaden zufügen.

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