SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lässt kein Fettnäpfchen aus

BERLIN · In diesen Tagen hat Helmut Schmidt noch einmal eine Lanze für ihn gebrochen. Die "Honorargeschichten", die man Peer Steinbrück vorhalte, seien "ziemlich albern", meinte der Altkanzler, und überhaupt, das Wichtigste bei einem Menschen sei für ihn "Zuverlässigkeit", fügte Schmidt hinzu.

Keine Frage: Man kann sich auf den SPD-Kanzlerkandidaten verlassen, etwa, dass er kein Fettnäpfchen auslässt. Und man kann sich streiten, welches Fettnäpfchen größer ist: Die Meinung zu vertreten, dass der oder die Chefin des Bundeskabinetts eigentlich zu wenig verdient, oder sich über die derzeitige Amtsinhaberin dahingehend zu äußern, dass sie von einem "Frauenbonus" profitiere.

Als die SPD Steinbrück im September offiziell als ihren Kanzlerkandidaten nominierte, waren viele noch der Ansicht, der 65-Jährige sei lernfähig. Seine Rede auf dem SPD-Parteitag im Dezember in Hannover schien das zu bestätigen. Inhaltlich überzeugend und rhetorisch stark zeigte er sich da den Delegierten und einer Öffentlichkeit, die sich einen echten Herausforderer für Bundeskanzlerin Angela Merkel erhoffte.

Aber nun das: Ein ganzseitiges Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", in dessen Verlauf die Zweifel des Lesers hinsichtlich Steinbrücks Lernfähigkeit wachsen. "Ich werde (...) nicht versuchen, mich grundsätzlich zu ändern oder an einem Coaching teilnehmen, in dem man lernt, Beliebtheitspunkte zu sammeln."

In der SPD reagierte man am Wochenende entsetzt auf seine Äußerungen. Es ist kein Lob für Steinbrück, wenn ein anderer Altkanzler, nämlich Gerhard Schröder, erklärt, dessen Chancen stünden weiter gut, weil, so Schröders Begründung: "In Deutschland werden nicht Personen, sondern Parteien gewählt."

Auch inhaltlich überzeugen die Antworten des Kandidaten nicht. Steinbrück kann nicht begründen, warum er es europapolitisch für wichtig hält, dass die Sozialdemokraten im Bundestag für die Euro-Rettungsmaßnahmen stimmen, wenn er doch die damit verbundene Sparpolitik, die den Krisenländern auferlegt wird, für "zu hart" hält. Manche Gesellschaften gingen dadurch "in die Knie", warnt er. "Mit der Konsolidierung ist es wie mit manchen Medikamenten. Die eine Dosis kann Leben retten, die andere ist tödlich."

Verantwortung übernehmen, Haltung zeigen, nicht lavieren, das erwarteten die Wähler von einem Kanzlerkandidaten, erläutert der Kandidat. Aber auch er hat laviert, hat erst einige Zeit gebraucht, bis er nach seiner Nominierung bereit war, die genaue Honorarhöhe für seine in den letzten Jahren gehaltenen Reden offenzulegen. Da hat er für einen Auftritt von zwei Stunden mehr Geld bekommen als die Kanzlerin im gesamten Monat.

Altkanzler Schmidt hat der "Zeit" verraten, dass er selbst nie "weniger als 15.000 Dollar" für eine Rede akzeptiert habe. Da sei er allerdings kein Abgeordneter gewesen und habe auch kein Amt mehr bekleidet. Ein SPD-Mann, der Schmidt aus nächster Nähe kennengelernt hat, sagte neulich, dieser habe nie ein gutes Gespür für Personen gezeigt. Zumindest in seinem Favoriten Steinbrück könnte er sich getäuscht haben.

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