US-Präsident Obama setzt Republikanern die Pistole auf die Brust

WASHINGTON · Was macht die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen plötzlich im Weißen Haus?

Spaß beiseite: Wer die Augen schloss und Barack Obama am Dienstagabend bei seiner traditionellen "Rede zur Lage der Nation" zuhörte, fühlte sich manchmal an den Furor des verstorbenen AfA-Chefs Ottmar Schreiner erinnert: Anhebung des Mindestlohns für Vertragsarbeiter des Staates von 7,25 Dollar auf 10,10 Dollar die Stunde (knapp 7,40 Euro), gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, mehr Geld für die vorschulische Ausbildung, passgenaue berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Neuauflage der Arbeitslosenversicherung für 1,6 Millionen Menschen, Wiederherstellung von Aufstiegschancen.

Sozialdemokraten hätten ihre helle Freude am Stichwortkatalog des amerikanischen Präsidenten gehabt. Nur: Was davon kann Wirklichkeit werden im sechsten Jahr eines durchwachsenen Präsidentendaseins? Obama kündigte den oppositionellen Republikanern unverhohlen an, dass er sie links liegen lassen wird, sollten sie weiter auf Blockade setzen.

Die Konservativen hätten jederzeit die Möglichkeit, sich seinen Vorschlägen zur Förderung des Wachstums und zur Stärkung der Mittelschicht anzuschließen. Verweigerten sie sich dem, sagte Obama, dann werde er kraft seines Amtes mittels präsidialer Verordnung regieren. "Amerika steht nicht still, und auch ich werde nicht stillstehen."

Noch während Obama im Kapitol redete, ließen die Republikaner über Twitter die Luft aus dem Ballon. Hie und da mag ein Obama-Solo möglich sein, hieß es. Bei zentralen Vorhaben, die Millionen von Amerikanern erreichen sollen, bedarf es stabiler Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses. Etwa bei der Reform des Einwanderungsgesetzes, wo Ideologie einem Kompromiss für die zwölf Millionen Illegalen im Land seit langer Zeit im Weg steht.

[kein Linktext vorhanden]Wie an den Gesichtern vieler Republikaner zu erkennen war, die oft demonstrativ sitzen blieben, während Demokraten regelmäßig in den Modus "standing ovations" schalteten, stieß Obamas Spagat-Versuch sauer auf. Einerseits beklagte der Präsident die gravierende soziale Ungleichheit: "Nach vier Jahren des Wirtschaftswachstums sind die Unternehmensgewinne höher als kaum jemals zuvor, und denen an der Spitze geht es besser als kaum jemals zuvor."

Dagegen seien die Durchschnittslöhne kaum gestiegen: "Die Ungleichheit hat zugenommen, Aufstiegschancen stagnieren." Andererseits pries Obama demonstrativ die angeblichen Erfolge seiner Politik. Arbeitslosigkeit: so niedrig wie nie zuvor. Gesundheitsreform: trotz einiger Technik-Hakeleien gut gestartet.

Die USA insgesamt: besser als jedes andere Land auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet. Obamas Schlussfolgerung, 2014 zum "Jahr des Handelns" zu machen, konterte die Gegenseite mit Spott: "Da täuscht einer Dynamik vor und tritt nur auf der Stelle."

Eine Sicht, die sich durchsetzen könnte. Obama hat vieles, was im Redemanuskript 2014 auftauchte, bereits in den Vorjahren versprochen, ohne dass sich in der Sache viel getan hätte. Beim Mindestlohn, von dem nur knapp 600.000 Geringverdiener in Staatsdiensten profitieren würden, sattelt er zum Beispiel einfach nur einen Dollar drauf.

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