Hollande seit 100 Tagen im Amt Nur eine Stilfrage?

PARIS · Der französische Präsident François Hollandes ist seit 100 Tagen im Amt. Eine Bilanz.

 Der französische Präsident Francois Hollande (l.) mit UN-Syrienvermittler Lakhdar Brahimi.

Der französische Präsident Francois Hollande (l.) mit UN-Syrienvermittler Lakhdar Brahimi.

Foto: ap

Kein Segeltörn vor der Küste Maltas auf der Yacht eines Großindustriellen als erste Amtshandlung. Keine dekadente Wahlparty mit dem Pariser Geldadel in einem Nobel-Restaurant auf den Champs-Élysées. Und statt einer eigenmächtigen Gehaltserhöhung um 170 Prozent eine 30-prozentige Kürzung: Was von François Hollandes ersten Wochen an der Spitze des französischen Staates hängenbleibt, ist in erster Linie der Kontrast zu seinem Vorgänger.

Schien Nicolas Sarkozy in den fünf Jahren seiner Amtszeit omnipräsent mit dem Ziel, täglich mit einer neuen Idee oder Aktion in den Hauptnachrichten zu erscheinen, so bleibt er es auch nach seiner Abwahl. Hollande gab nicht nur im Wahlkampf den leutseligen Normalo und "Anti-Sarkozy". Er tut es auch noch nach 100 Tagen im Amt.

Das übersetzt sich nicht nur in Stilfragen oder symbolischen Akten, sondern auch politisch. Die von Sarkozy durchgesetzte Steuerbefreiung von Überstunden wurde rückgängig gemacht, ebenso die für Herbst geplante Anhebung der Mehrwertsteuer und für einen Teil der Beschäftigten auch die Rentenreform. Doch die angekündigte große Steuerreform, die unter anderem eine 75-prozentige Besteuerung von Einkommen über einer Million Euro vorsieht, muss bis Herbst warten.

Genauso wie konkrete Auskunft darüber, woher die 33 Milliarden Euro kommen sollen, die laut Rechnungshof allein für 2013 nötig sind, um Frankreichs Neuverschuldung bis Ende 2013 unter die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent zu drücken, wie Hollande es versprochen hat. Doch tausende neue Stellen für Schulen, Polizei und Justiz zu schaffen, führt in die entgegengesetzte Richtung. Beobachter gehen davon aus, dass populäre Maßnahmen wie die Begrenzung der Mietpreise oder eine Erhöhung der Schul-Beihilfen unvermeidliche Härten vorbereiten sollen, die auch die Mittel- und Unterschicht nicht ausnehmen.

Doch nach 100 Tagen im Amt sind bereits 54 Prozent der Franzosen unzufrieden mit Hollande; mehr als bei Sarkozy nach derselben Zeit. "Auch wenn sie seinem Vorgänger nicht nachtrauern, warten sie immer noch ab", schreibt selbst die dem Sozialisten wohlgesinnte Tageszeitung "Libération".

Hollande hat eine Reihe von Kommissionen beauftragt, zuständig für mehr Wettbewerbsfähigkeit in den Unternehmen oder die künftige Rolle Frankreichs innerhalb der Nato. Doch was die einen als wohltuenden Dialog-Stil sehen, interpretieren andere als "Chiracismus" - politische Unbeweglichkeit à la Jacques Chirac statt der mutigen Handlungsfähigkeit eines Nicolas Sarkozy.

Obwohl dieser seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hatte, mischte sich der Altpräsident zuletzt sogar selbst ein und besprach mit dem Chef der syrischen Opposition die dortige Lage. Sarkozy sei "erstaunt" über Hollandes Passivität, kolportierten die Medien. Eine Phalanx konservativer Ex-Minister, darunter Ex-Premier François Fillon, beklagt eine "Politik der Kapitulation", seinen Mangel an Reformwillen.

Auch von Linksfront-Chef Jean-Luc Mélenchon kommt Kritik an der "leeren Hülle der 100 Tage" Hollandes. Doch Frankreich steht ein Herbst der Entscheidungen bevor, flankiert von der Schuldenkrise. Diese Woche stehen Gespräche Hollandes mit Kanzlerin Merkel in Berlin und mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras in Paris an. Folgenschwerer als Hollandes erste 100 Tage werden wohl die kommenden 100 Tage sein - mindestens.

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