Steuern in Deutschland Nur Belgier zahlen mehr als Deutsche

Berlin · Die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben steigt weiter. Der Steuerzahlerbund fordert die Abschaffung des Soli.

Die Belastung der Arbeitseinkommen steigt in Deutschland weiter an. Hier muss ein alleinstehender Durchschnittsverdiener 49,4 Prozent an Fiskus und Sozialversicherungen abführen. Nur in Belgien liegt der Anteil der Steuern und Sozialabgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an den Arbeitskosten mit 54 Prozent noch höher. Im Schnitt der 35 wichtigsten Industrieländer liegt die Belastung dagegen nur bei 36 Prozent, wie ein Vergleich der Organisation OECD ergibt. Im Vergleich zum Vorjahr ist Deutschland in dieser wenig ruhmreichen Statistik sogar von Platz drei auf Platz zwei geklettert. Im Vorjahr lag Österreich noch vor uns.

Etwas besser stehen Familien da, da sie vom Ehegattensplitting und der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern in der Kranken- und Pflegeversicherung profitieren. Ein verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern muss in Deutschland im Schnitt 34 Prozent des Arbeitseinkommens abführen. Deutschland liegt damit auf Platz neun von 35 Ländern, aber deutlich über dem OECD-Schnitt von 26,6 Prozent. Am stärksten werden Familien in Frankreich belastet, sie müssen 40 Prozent abführen. Am geringsten ist die Belastung von Familien in Neuseeland mit 6,2 Prozent.

Sozialabgaben treiben Belastung in die Höhe

Laut OECD sind die Sozialabgaben mehr noch als die Steuern das Problem in Deutschland. Die Beiträge für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung machen zwei Drittel der Gesamtabgaben aus und treiben die Belastung schon für Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen in die Höhe.

Das zeigt auch eine gestern vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI vorgelegte Studie. Bereits ab einem Haushaltsbruttoeinkommen von 30.000 Euro jährlich beträgt die Belastung 45 Prozent. Bei den Einkommen zwischen 40.000 und 80.000 Euro liegt sie bei 48 Prozent – das ist ein neuer Rekordwert. Bei höheren Einkommen sinkt die Belastung wieder leicht, weil sich die Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherung bemerkbar machen. „Die Belastung der Bürger ist deutlich höher, als uns vorher bewusst war“, sagte Institutschef Christoph Schmidt.

„Die aktuellen Zahlen der OECD sind ein Weckruf“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahler. Er fordert den Solidaritätszuschlag spätestens 2019, wenn die Hilfen für den Aufbau Ost auslaufen, zu streichen. Zudem müsse der Einkommensteuertarif reformiert werden: „Der Spitzensteuersatz greift heute bereits beim 1,3-fachen des Durchschnittseinkommens.“ Er treffe auch schon Facharbeiter mit Berufserfahrung oder gut verdienende Angestellte. Der Steuerzahlerbund fordert, dass der Spitzensteuersatz erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.001 Euro greift.

Auch die Mittelstandsvereinigung der Union sieht dringenden Handlungsbedarf beim Thema Steuern und Abgaben. „Diese Studien sind eine Bestätigung dafür, dass eine Steuerreform überfällig ist“, sagte deren Chef Carsten Linnemann unserer Redaktion. „Die Abgaben dürfen nicht weiter steigen.“ Linnemann verwies auf die Rentendebatte. „Wenn die SPD das Rentenniveau signifikant steigern möchte, dann müssen dies die Menschen mit ihren Abgaben finanzieren, die wir vor Altersarmut schützen möchten – Familien und Alleinerziehende sowie Geringverdiener.“

Spielraum sieht Linnemann bei der Arbeitslosenversicherung. „Wir können den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2018 von derzeit drei auf 2,7 Prozent reduzieren.“ Auch die Arbeitgeberverbände (BDA) fordern angesichts der Zahlen „mutige Strukturreformen in allen Sozialversicherungszweigen“.

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