Kommentar zum SPD-Bundestagswahlkampf Nicht auf Linie

Bonn · Es war wieder keine gute Woche für die SPD. Da wollte sie mit ihrem Zehn-Punkte-Plan zur Senkung der Strompreise mit einem wichtigen und populären Thema punkten, doch mehr Aufmerksamkeit bekam Alt-Genosse Franz Müntefering.

Der hatte sich mit harscher Kritik die Parteispitze vorgenommen. Das tut man nicht mitten im Wahlkampf, hieß es unisono in der SPD. Doch klar ist: Die Lage der Sozialdemokraten bleibt, vorsichtig formuliert, schwierig. Die Ursachen sind bekannt - und kaum zu lösen.

Im Rückblick ist unbestritten, dass die Inthronisierung von Kanzlerkandidat Steinbrück dilettantisch ablief, dass vor allem Parteichef Gabriel dies zu verantworten hat. Insofern ist die Müntefering-Kritik natürlich berechtigt, aber letztlich Schnee von gestern. Da Müntefering weiß, dass dies seiner Partei nicht hilft, liegt die Vermutung nahe, dass er die Protagonisten des Wahlkampfes, Gabriel und Generalsekretärin Nahles, mit Blick auf die mutmaßliche Niederlage schon einmal anzählen will. Sein Verhältnis zu beiden gilt als belastet.

Doch fernab von personellen und persönlichen Scharmützeln steht die SPD vor ganz anderen, fundamentalen Herausforderungen. Der holprige Wahlkampf und die mancherorts halbherzige Unterstützung für Spitzenkandidat Steinbrück haben ihre Ursache in der "Meinungsvielfalt", das heißt letztlich, in der Spaltung der Partei. Nun gelten die Sozialdemokraten traditionell als meinungs-, diskussions- und streitfreudig, was durchaus Charme hat.

Am Ende des Tages aber, konkret in der heißen Wahlkampf-Phase, muss die Partei an einem Strang und in eine Richtung ziehen. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt auch die jüngste Deutschland-Trend-Umfrage. Sollte es für Rot-Grün nicht reichen, gibt es an der Parteibasis drei fast gleichstarke Gruppierungen: Die Wunschkonstellationen reichen von Rot-Rot-Grün (27 Prozent) über die große Koalition (33) bis zum Verbleib in der Opposition (34).

Die Partei ist nicht auf Linie, sie ist mit sich noch immer nicht im Reinen. Der Stachel der Agenda 2010 - und in deren Folge das Erstarken der Linken, gespeist durch gefrustete Sozialdemokraten - steckt noch immer im Fleisch der SPD. Auch wenn die Führung davon nichts wissen will.

Die Zahlen spiegeln zudem Peer Steinbrücks Dilemma wider. Wer Steinbrück aufstellt, muss Steinbrück wollen. Wer Steinbrück stärken will, muss einen starken Steinbrück akzeptieren. Doch das ist vielen Genossen weiterhin nicht geheuer. Gabriel und Nahles versuchen, die Partei auf striktem Linkskurs zu halten. Der im Lager von Altkanzler Schröder sozialisierte Steinmeier geht da nur begrenzt mit. Und Steinbrück? Der zieht das jetzt durch. Und danach zieht er sich zurück in einer Partei, die sich erst finden muss. Vieles weist darauf hin, dass die SPD dafür noch vier Jahre Zeit hat.

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