Interview mit Kardinal Marx "Nach der Synode ist vor der Synode"

VATIKANSTADT · An der Bischofssynode zu Ehe und Familie im Vatikan hat als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz deren Vorsitzender Kardinal Reinhard Marx teilgenommen. Im Gespräch zieht er eine Bilanz des gestern zu Ende gegangenen Treffens.

Kardinal Marx, was ist der Ertrag der Synode nach zwei Wochen intensiver Beratungen?

Reinhard Marx: Es ist über vieles gesprochen worden, was vorher auf weltkirchlicher Ebene nicht so offen diskutiert wurde. Das Ergebnis ist ein Auftrag für die nächste Zeit. Nach der Synode ist also vor der Synode. Der Papst will, dass die Ortskirchen sich mit den Themen beschäftigen. Und wir in Deutschland können sagen, das, was wir eingebracht haben, hat nicht nur uns beschäftigt.

Von Reformern und Konservativen war die Rede. Wer hat sich durchgesetzt?

Marx: Es gibt kein Durchsetzen bei der Synode. Es gab verschiedene Richtungen. Es gab den Zwischenbericht, der veröffentlicht wurde und den andere heftig kritisiert haben. Aber das ist nicht erstaunlich. Wie kann man bei dieser Vielfalt von Kulturen bei einem Thema wie Ehe, Familie und Sexualität eine gemeinsame Sprache finden? Von den soziokulturellen Unterschieden her ist das fast unmöglich. Auf der anderen Seite konnte man aber auch sehen, dass wir viele gemeinsame Probleme haben, etwa in der Veränderung der Lebensverhältnisse, in den Spannungen in der Familie, beim Thema Ehescheidung, beim Zusammenleben ohne Trauschein. Das sind nicht nur westliche Probleme; die Herausforderung durch eine freie, säkulare Welt betrifft mittlerweile alle.

Bei früheren Synoden wurde stets die Brüderlichkeit beschworen. Diesmal gab es starke Spannungen. Hatten Sie manchmal Angst, das könnte kippen?

Marx: Angst ist das falsche Wort. Aber ich habe nach dem Zwischenbericht doch gedacht: Das hätte ich so nicht erwartet! Dann kamen aber wieder andere Positionen. Mir war wichtig, dass keine Türen verschlossen werden, und das ist nicht erfolgt, auch wenn es sehr kontrovers zuging, wie ja die Abstimmungsergebnisse zeigen. Und natürlich wurde versucht, die eigene Position gut ins Gespräch zu bringen.

Sie wollten Türen offen halten, auch bei den Aussagen zur Homosexualität?

Marx: Es geht um die Grundfrage: Wie gehen wir mit Lebensverhältnissen um, die nicht im Sinne dessen sind, was wir von der kirchlichen Lehre her eigentlich wollen, die aber - je nach Situation - auch Werte haben können oder in deren Beziehungen etwas gelebt wird vom Evangelium. Wie kann ich das in Begriffe bringen, ohne relativistisch zu sein, ohne die unauflösliche Ehe abzuschaffen oder die Lehre der Kirche zur Homosexualität aufzugeben? Wir müssen die Lebensverhältnisse von Menschen anschauen und in ihnen das entdecken, was vom Evangelium her möglich ist, und auf das Mögliche und Bessere hin begleiten.

Die Deutschen sind auf Ebene der Weltkirche nur eine Minderheit, haben bei dieser Synode aber offenbar manches bewegt. Wo haben sie eigentlich Verbündete, in Südamerika, oder in Asien? Aus Afrika kam jetzt manche Kritik.

Marx: So würde ich das auch nicht pauschalisieren. Die Positionen und auch die Gemeinsamkeiten verliefen quer durch die Kontinente. Ich habe Bischöfe aus allen Erdteilen gehört, die unseren Überlegungen viel abgewinnen konnten. Ich stand nicht alleine, im Gegenteil! Das hat mich viel hoffnungsvoller gemacht, erst recht nach der alle ermutigenden Ansprache des Heiligen Vaters zum Schluss.

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