Ein Tag im Wahlkampf des Spitzenkandidaten NRW-Landtagswahl: Pirat Marsching von den Piraten

NRW · Fünf Jahre lang waren die Piraten im Landtag vertreten. Laut Umfragen ist die Partei weit von einem neuen Einzug ins Parlament entfernt.

 Michele Marsching führt die Liste der Piraten an.

Michele Marsching führt die Liste der Piraten an.

Foto: Benjamin Westhoff

Mit 7,8 Prozent und 20 Abgeordneten zogen die Piraten vor fünf Jahren überraschend deutlich in den Landtag ein. Bei der Wahl am Sonntag werden sie mutmaßlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Fraktionschef und Spitzenkandidat Michele Marsching hat zwar die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, noch genug Stimmen einzusammeln, doch auch er ist Realist. „Niemand von uns sagt, na klar werden wir wieder in den Landtag kommen“, sagt der 38-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung am Beueler Rheinufer.

Woran liegt es, dass die Piraten diesmal keine Chance haben? 2012 sei man noch Protestpartei gewesen. Er ist aber auch selbstkritisch: „Wir haben viele Fehler gemacht, in der Öffentlichkeitsdarstellung und im Auftreten.“ Kurz nach der Wahl twitterte eine Piratin aus dem Landtag heraus von einem geplatzten Kondom und machte anzügliche Bemerkungen über einen Kollegen. „Das waren zwar Nichtigkeiten, aber die wurden von der Presse aufgeblasen“, so Marsching. Viereinhalb Jahre hätte die Fraktion danach gute Arbeit gemacht, doch erst seit zwei Jahren sei dies auch kommuniziert worden.

„Vorher waren wir dabei, uns zu verteidigen, wir waren zu vorsichtig, aus Sorge, wieder einen Skandal auszulösen.“ Zu harmonisch und sympathisch, so empfand Marsching die Piraten unter Führung von Fraktionschef Joachim Paul. „Ich hätte es besser gefunden, wenn wir mit unserem Dilettantismus auch mal nach vorne gestolpert wären. Ich hab Herrn Paul mehrfach gesagt, ich wäre gern ein bisschen lauter.“ Irgendwann habe der gesagt, dann mach es doch. Seit knapp zwei Jahren ist Marsching nun Fraktionschef. Und die Piraten wurden lauter.

Im Amri-Untersuchungsausschuss zum Beispiel brachte Marsching ein ums andere Mal Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zur Weißglut. Initiativen wie den fahrscheinfreien Nahverkehr oder die Kindergrundsicherung hätten die Piraten nach vorn gebracht. Im Innenleben des Parlaments setzten sie sich dafür ein, dass es mehr namentliche Abstimmungen gibt. „Das würde zu mehr Transparenz beitragen.“ Doch die anderen Fraktionen waren dagegen. „Das System ist sehr verkrustet. Die Regierungsfraktionen machen, was sie wollen.“ Auch gute Vorschläge von anderen Fraktionen würden abgelehnt oder fast wortgleich drei Monate später wieder eingebracht. All das frustriert.

Und jetzt? „Die meisten von uns haben ihre Arbeitsstelle sicher.“ Marsching nicht. Als selbstständiger Softwareentwickler habe er alles aufgegeben und Vollzeit im Parlament gearbeitet. Doch er weiß auch, dass ihm die Arbeit im Landtag Spaß gemacht hat. So sagt er zum Schluss: „Ich bin noch nicht fertig mit der Politik.“

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