Staatsbesuch Mursi und das Misstrauen in Berlin

Berlin · Natürlich gibt es auch in der Bundeshauptstadt Protest: Amnesty international hat Mittwochfrüh vor den Toren des Kanzleramtes Quartier bezogen, um mit zwei Nofretete-Figuren auf die rücksichtslose Vorgehensweise der ägyptischen Polizei gegenüber den Protestierenden im ganzen Land zu verweisen.

Eine Figur trug eine Gasmaske, die zweite einen blutigen Kopfverband. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi bekam von dieser und anderen Aktionen wenig mit. Angesichts der innenpolitischen Lage in seinem Land hatte das Kairoer Staatsoberhaupt sein Berliner Besuchsprogramm erheblich gekürzt, damit er noch am selben Tag zurückfliegen konnte.

Auf der Strecke blieb beispielsweise eine Begegnung mit Bundespräsident Joachim Gauck, dessen Absage durch Kairo das Bundespräsidialamt in einer leicht indignierten Art am Mittwoch schriftlich bestätigte. Einen ursprünglich für heute geplanten Frankreich-Anschluss-Besuch hatte Mursi komplett abgesagt.

[kein Linktext vorhanden]Nach dem 90-minütigen Gespräch im Rahmen eines Mittagessens mit der Kanzlerin war klar, dass die Atmosphäre von jeder Menge Misstrauen begleitet wird. Auf deutscher Seite tut man sich schwer mit seiner Distanzierung von antisemitischen Äußerungen des Gastes: So wird er im Jahr 2010 mit der Formulierung zitiert, alle Juden seien "Blutsauger" und "Nachfahren von Affen und Schweinen".

Dies seien aus dem Zusammenhang gerissene Zitate des ersten islamistischen Präsidenten. So verteidigte sich Mursi gestern bei einer Pressekonferenz. Er akzeptiere das Judentum als Religion. Merkel äußerte sich nur indirekt und vage. Sie lege sehr viel Wert darauf, dass Ägypten Menschenrechte und Religionsfreiheit akzeptiere und garantiere. "Rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen" seien im übrigen die Voraussetzung für Investitionen und die Entwicklung des Tourismus in dem Land.

Mursi schlug in seinem elfminütigen Eingangsstatement einen weiten Bogen: Dabei verteidigte er die Entwicklung seines Landes. Ägypten werde ein ziviler Rechtsstaat, der nicht theokratisch ausgerichtet sei. Machtwechsel seien nie auszuschließen.

Deutschland habe als eine der ersten Nationen den demokratischen Wandlungsprozess aktiv begleitet. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP), gehörte am Mittwoch zu den wenigen, die offen Solidarität mit dem Land einfordern: "Ich rate uns bei allen Bildern, die uns schockieren: Geben wir der Revolution in Ägypten eine Chance.

Er verwies darauf, dass die weitere Wirtschaftshilfe "klar" davon abhänge, "dass auch die demokratische Entwicklung in Ägypten weitergeht." Es gibt allerdings ein positives Zeichen: Die zwischenzeitlich geschlossene Außenstelle der Konrad-Adenauer-Stiftung soll bald wieder ihre Arbeit aufnehmen.

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