Generationenwechsel Mit Elmar Brok geht der letzte Mann Kohls

Brüssel · Ein gar nicht normaler Wechsel an der Spitze des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament: Mit David McAllister übernimmt ein Mann der Ära Angela Merkel.

 Gibt den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament ab: Elmar Brok.

Gibt den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament ab: Elmar Brok.

Foto: picture alliance / Julien Warnan

Tagesordnungen erzählen keine Geschichten. So war das auch an diesem Dienstag, als der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlamentes zu seiner ersten Sitzung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode zusammentrat. Erster Punkt auf der Agenda: Wahl eines Vorsitzenden. Kein Wort über den Mann, der dieses einflussreiche Gremium mit Unterbrechungen 13 Jahre geleitet hatte und der nun den Führungsstab abgab. Elmar Brok, 70 Jahre alt, CDU-Politiker aus Ostwestfalen, seit 37 Jahren Mitglied der europäischen Volksvertretung.

„Elmar“, wie Brok vertraulich in Brüssel und Straßburg von Freund und Feind genannt wird, ist eine Institution. Wie dieses Wort zu verstehen ist, hat der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl einmal vorgegeben, als er über Brok sagte, man könne sich seine Biografie ganz leicht merken: „Geboren, verheiratet, Europäisches Parlament“. Dort kursieren bis heute Anekdoten und Geschichten über den Westfalen, die nur eines zeigen sollen: Brok ist vernetzt wie kaum ein anderer.

Eine dieser Geschichten geht so: Zu Beginn des Kaukasuskrieges 2008 wollte Brok in das umstrittene Gebiet einreisen. An der Grenze irgendwo zwischen Georgien, Abchasien, Süd-Ossetien und Russland stoppte ihn ein Soldat und verlangte die notwendigen Einreisepapiere, die der CDU-Mann aber nicht hatte. Während seine Begleiter mit dem Grenzschützer stritten, zückte Brok sein Mobiltelefon, wählte eine Nummer in Moskau und durfte fünf Minuten später passieren. Brok kennt die, die heute die Geschicke der Staaten leiten. Mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán ist er seit Studentenzeiten befreundet, mit dem früheren ukrainischen Despoten Viktor Janukowitsch führte er „schlimme Gespräche“ (Brok). „Aber man muss solche Verhandlungen angehen, um Menschen aus dem Gefängnis zu holen.“

Dass Brok in Brüssel nicht unumstritten ist, weil man ihm immer wieder eine zu enge Verflechtung beispielsweise zum Bertelsmann-Konzern vorhielt, gehört zum Gesamtbild dazu. Vielleicht passte eine solche Nähe sogar zu der Politikergeneration, der Brok entstammt. Nun geht der letzte Mann Kohls. Der Nachfolger ist ein Mann der Ära Angela Merkel: David McAllister war zweieinhalb Jahre Ministerpräsident von Niedersachsen als Nachfolger Christian Wulffs, der als Bundespräsident nach Berlin gewechselt war.

Nach der Wahlniederlage 2013 ging er 2014 nach Brüssel und widmete sich vor allem den Beziehungen Europas zu Serbien. Doch das ist nicht der eigentliche Zeitenwechsel, der sich jetzt gerade vollzieht. Brok steht für eine Gemeinschaft, deren Traum von Frieden und Demokratie verteidigt werden muss. Der Ukraine-Konflikt war für Brok immer auch deshalb eine Herzensangelegenheit, weil er darin die große Bedrohung für das sah, was Europa erreicht hatte.

Mit McAllister kommt nun ein Politiker der jungen Generation an die Spitze des europäischen Gremiums, der in der Zeit der Reisefreiheit und des Binnenmarktes politisch groß geworden ist. Für ihn sind offene Grenzen, das Erasmus-Studienprogramm oder der Euro Errungenschaften, die er verteidigen will. Da McAllister einen schottischen Vater hat, gilt er in Brüssel zugleich als intimer Kenner der britischen Gemütslage – ein wichtiger Vorteil, wenn es nun um die Organisation des Brexit geht. McAllister steht vor Herausforderungen, die denen Broks nicht nachstehen. Und wenn McAllister tatsächlich einmal Rat brauchen sollte: Brok bleibt dem Parlament als Abgeordneter erhalten.

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