Demografiegipfel Merkel plädiert für mehr Zuwanderung

Berlin · Die Bundesregierung lud Dienstagabend zum zweiten Demografiegipfel in das Berliner Kongress-Center. Über 800 Gäste waren eingeladen. Fast das gesamte Bundeskabinett war anwesend. Diskutiert werden sollten unter anderem die Ergebnisse aus insgesamt neun Arbeitsgruppen, die der erste Demografie-Gipfel eingesetzt hatte. Das war im Oktober letzten Jahres.

Seit diesem Zeitpunkt wachsen die Bedenken gegen das Gipfel-Veranstaltungsformat. Bei "über 40" liegt nach Recherchen der Oppositionsparteien im Bundestag die Zahl solcher Zusammenkünfte unter der Regie der Bundeskanzlerin. Es gibt unter anderem Integrations-, Frauen- und Energiegipfel. Die politischen Gipfeltreffen von einst werden zu medialen Ereignissen stilisiert, bei denen der gelungene Schnappschuss wichtiger ist als die Entwicklung politischer Strategien. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ätzte: "Über allen Gipfeln ist Ruh'".

Interessant war zu beobachten, wie unterschiedlich regierungsintern die Ansichten über die Zuwanderung als Lösungsansatz für die nachteiligen Folgen der Bevölkerungsentwicklung sind. Angela Merkel plädiert für mehr Offenheit. "Wir gelten als abgeschlossen", stellte die Kanzlerin in ihrem Redebeitrag fest.

Sie weiß die Wirtschaft hinter sich. Der neue Präsident der Industrie- und Handelskammer, Eric Schweitzer, hatte schon vor Beginn des Gipfels in einem TV-Interview eine "neue Willkommenskultur" verlangt. Auch die FDP-Minister im Kabinett schlossen sich dieser Haltung an. Parteichef Philipp Rösler hatte ebenfalls schon vor dem Gipfel ein klares Signal vom Unions-Koalitionspartner verlangt, für mehr Zuwanderung einzutreten.

CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich zeigte sich bedeutend skeptischer: "Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten den demografischen Wandel allein durch Zuwanderung lösen." Vorrang hätten Bewerber aus dem Inland und EU-Staaten. Eine ungesteuerte Zuwanderung käme nicht in Frage.

Dem widersprach niemand. Aber vor allem die kommunalen Spitzenverbände wiesen darauf hin, dass eine Zuzugsbeschränkung einen "völlig falschen Ansatz darstellen" würde. Gerade im Süden der EU gebe es hoch qualifizierte Bewerber, konstatierte beispielsweise der Deutsche Städte- und Gemeindebund in einer Stellungnahme.

Die Arbeitsgruppen-Ergebnisse bewegen sich im Abstrakten. Es gibt so gut wie nichts Konkretes. Nur die Wortmeldung eines jungen Mannes sorgte für Aufregung, der auf ein zentrales Problem verwies: In Deutschland gebe es so wenig Nachwuchs, weil die Steuer kinderlose Familien belohne, Eltern mit Kindern dagegen bestraft würden. Das müsse man ändern. Was denn Merkel dazu sage? Die hatte zu diesem Zeitpunkt die Veranstaltung aber schon verlassen.

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