Wahlkampf in Deutschland Merkel im Mittelpunkt

BERLIN · "Wenn wir bisher im Trainingslager sind, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo wir auf die Straße gehen." SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte diesen Satz in der vergangenen Woche, als seine Partei die ersten Wahlplakate für die verbleibenden Wochen bis zum 22. September vorstellte.

 Parteien und ihre Plakate: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellte das Werbematerial vergangene Woche vor, am Montag war die CDU an der Reihe.

Parteien und ihre Plakate: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellte das Werbematerial vergangene Woche vor, am Montag war die CDU an der Reihe.

Trainingslager? Tatsächlich war der SPD-Vorwahlkampf von ordinärem Pech und einer Kette von Pannen und Pleiten geprägt. Pech ist es, dass der Druck auf den Plakaten nicht wasserfest ist. Die SPD-Botschaften verschwimmen beim ersten stärkeren Regen. Aber das ist nur ein Randaspekt. Tatsächlich dokumentiert die Steinbrück-Ankündigung, dass man mit der bisherigen Wahlkampfstrategie nicht weiterkommt.

Der Herausforderer Angela Merkels hat in den letzten Tagen nicht umsonst mehrfach betont, die Wahlen würden durch die Mobilisierung der vielen zurzeit noch unentschiedenen Wähler gewonnen. Weil der Genosse Trend bisher den SPD-Sympathisanten die kalte Schulter gezeigt und eher ein demoskopischer Abwärtstrend zu verzeichnen ist, musste Lotse Steinbrück gegensteuern. "Das Wir entscheidet", das die SPD zur Kernaussage erhoben hatte, werde von vielen Anhängern nicht begriffen. Steinbrücks Ratgeber wollten - angeblich auf Druck des SPD-Vorsitzenden Gabriel - mehr Schärfe in den Wahlkampf bringen. Im Visier: die Bundeskanzlerin.

Drei Plakate haben die Genossen über Merkel drucken lassen: Das erste zeigt die Kanzlerin zusammen mit ihrem Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und dem affärengeschüttelten Verteidigungsminister Thomas de Maizière im ratlos wirkenden Gespräch. Rhetorische Frage: Merkels Kompetenzteam?

Bild Nummer 2: Die Regierungs-Chefin sitzt auf ihrem Bundestags-Kanzlerstuhl und kramt in ihrer Handtasche, so als ob sie etwas verloren habe. "Privatsphäre - Neuland für Merkel?" fragen die Plakat-Produzenten. Der Hintergrund: Merkel hatte beim Besuch des US-Präsident Obama gemeint, das Internet sei "Neuland", meinte damit aber die juristischen Aspekte der Nutzung.

Das dritte Plakat: die Kanzlerin mit geschlossenen Augen auf der Regierungsbank. Neben ihr ein mit dem Schlaf kämpfender Vizekanzler und Wirtschaftsminister Rösler. "Die beste Regierung seit der Einheit?", heißt es über dieses Bild. Es nimmt Bezug auf eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin, in der sie diese These äußerte. Im Willy-Brandt-Haus türmen sich die E-Mails. Viele schreiben, dass die Plakatwerbung für den flüchtigen Spaziergänger oder Autofahrer als SPD-Werbung für Merkel aufgefasst werde. Für die richtige Einordnung der Zitate brauche man relativ viel politisches Insiderwissen.

Erschwerend kommt hinzu: Knapp sieben Wochen vor der Bundestagswahl stellt die SPD die Kanzlerin in den Vordergrund, nicht aber den eigenen Kandidaten Steinbrück. In diesem Zusammenhang fällt eine bemerkenswerte Distanzierung der Landes- Funktionärsebene auf, die in Mitgliederschreiben den SPD-Kanzlerkandidaten schlicht und einfach ignoriert. Steinbrück ficht das nicht an: Tausende Plakate mit seinem Konterfei seien im Druck. Er werde rund 100 Veranstaltungen absolvieren. Es gelte, die Amtsinhaberin zu stellen, die im Begriff sei, das Land "einzulullen".

Merkel war im Wander-Urlaub in Südtirol. Ihre Partei stellte gestern ebenfalls einen Teil der CDU-Plakate vor. Sie unterstreichen, dass die Kanzlerin für die gute Wirtschaftslage verantwortlich sei. Geworben wird mit dem Slogan: "Gemeinsam erfolgreich". Damit sucht man die SPD-Formel "Das Wir entscheidet" ihrer Wirkung zu berauben. Die CDU-Plakate werden zunächst zu den Themenbereichen Arbeit, Familie und solide Finanzen aufgelegt. Erst in der Schlussphase des Wahlkampfes werden Merkel-Porträts plakatiert. Es gelte die hohe Zufriedenheit großer Teile der Gesellschaft über die wirtschaftliche Entwicklung auszunutzen und diese Stimmung mit der CDU und der Kanzlerin zu verknüpfen, lautet das interne Arbeitsziel. Dies könne mit wenigen Schwerpunktthemen und einer Personalisierung in der Endphase vor dem 22. September am besten erreicht werden.

Zu diesem Zweck wird Merkel auch stärker als Privatmensch gezeigt. Merkel will zudem trotz der Regierungsbelastung etwa 60 Auftritte absolvieren. Laut momentanem Einsatzplan wird sie am 24. August in Bonn sprechen. Ein Auftritt in Köln ist nicht vorgesehen.

Allerdings wird im Berliner Adenauer-Haus eindringlich vor politischem Hochmut gewarnt. Das Wahljahr 2005 ist in der CDU-Zentrale noch in denkbar schlechtester Erinnerung. Aus einer als aussichtslos erschienenen Ausgangssituation hatte Amtsinhaber Schröder Merkel beinahe noch die Kanzlerschaft entrissen. In Merkels Umgebung wird allerdings auch einschränkend darauf verwiesen, dass Steinbrück "bei weitem nicht" über die Statur Schröders verfüge. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe machte schon deutlich, dass seine Partei eine Auseinandersetzung nicht scheue.

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