Wahlkampf in Frankreich Macron will mit Reformprogramm punkten

Paris · Sozialliberaler sieht sechs Baustellen von Bildung bis Wirtschaft. Das EU-Parlament hebt die Immunität von Rechtspopulistin Le Pen auf.

 Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron.

Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron.

Foto: dpa

Emmanuel Macron war gerade noch dabei, sein Präsidentschaftsprogramm im Detail zu erläutern, da platzte eine andere Nachricht in den Wahlkampf. Das EU-Parlament stimmte gestern dafür, Marine Le Pen die Immunität zu entziehen, die sie als EU-Abgeordnete besitzt. Künftig kann die französische Justiz wegen des Vorwurfs der Verbreitung gewalttätiger Bilder gegen die rechtspopulistische Kandidatin ermitteln. Im Dezember 2015 veröffentlichte Le Pen auf ihrem Twitter-Konto drei Fotos von Hinrichtungsopfern der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) mit dem Kommentar „Das ist der IS“; eines davon zeigte den ermordeten US-Journalisten James Foley.

Le Pen löschte die Bilder, die ursprünglich IS-Propaganda waren, erst, nachdem Foleys erschütterte Eltern sie dazu aufgefordert hatten. Die Aufhebung der Immunität der Rechtspopulistin betrifft nur diesen Fall, nicht aber den Vorwurf, die Front National habe mehrere Mitarbeiter vom EU-Parlament bezahlen lassen, die allein für die Partei arbeiteten. Le Pen weigerte sich, bei einer entsprechenden Vorladung der Justiz zu erscheinen.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass auch der republikanische Kandidat François Fillon in der Affäre um eine mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Frau und zwei seiner Kinder als parlamentarische Assistenten demnächst von Untersuchungsrichtern verhört wird, die möglicherweise ein Strafverfahren einleiten. Er selbst kündigte an, er werde „nicht zurückweichen“, doch entzogen seitdem eine Reihe Parteifreunde ihre Unterstützung.

Diese Informationen überlagerten gestern die Vorstellung von Macrons Programm. Lange war dem 39-jährigen Ex-Wirtschaftsminister von seinen Gegnern vorgeworfen worden, er sei eine „Medien-Blase“ und ein „schönes Marketing-Produkt“, ohne echte Vorschläge vorweisen zu können, die seinen Erfolg in den Umfragen rechtfertigten. Diese sagen ihm inzwischen mit rund 24 Prozent der Stimmen einen Einzug in die Stichwahl gegen Le Pen voraus – der Sieg scheint greifbar.

In seinem „Projekt“ identifiziert der Chef der Partei „En marche!“ („In Bewegung!“) sechs „Baustellen“ – von der Bildungspolitik über den Ausbau einer „Gesellschaft der Arbeit“, die Modernisierung der Wirtschaft, Sicherheit und ein vertieftes Europa bis hin zu einer „Moralisierung der Politik“. Diese war die Bedingung des Zentrumspolitikers François Bayrou für eine Allianz. Abgeordnete sollen demnach weder Verwandte beschäftigen noch Unternehmen beraten dürfen – beides war bei Fillon der Fall. Auch soll die Zahl der Abgeordneten deutlich sinken.

Insgesamt zielt Macron auf einen Abbau von Bürokratie und Sonderregeln ab – etwa bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Staatsanteile will er verkaufen und die Erlöse in einen „Fonds für Industrie und Innovation“ fließen lassen. Das Renteneintrittsalter verspricht er nicht zu erhöhen, aber abhängig von den jeweiligen Jobs zu machen. „Wir versöhnen Freiheit und Schutz miteinander, das ist der rote Faden“, so der Sozialliberale, der jeweils in der „Wir-Form“ sprach – wohl auch, um den Kritikern zu antworten, die ihn als narzisstischen Alleingänger verspotten, seit er aus der Regierung von François Hollande ausgeschieden ist. Er sei „der Kandidat der Mittelschicht und der kleinen Leute“, versprach der ehemalige Investmentbanker, der vorschlägt, die Wohnsteuer abzuschaffen.

Zwar plant er die Einsparung von 120 000 Beamtenstellen, nicht aber im Schulbereich, wo er neue Lehrer einstellen und eine Prämie für diejenigen anbieten will, die in sozialen Brennpunkten unterrichten. Einen finanziellen Anreiz sieht er auch für die Jobvergabe in benachteiligten Vierteln vor, wo die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist. Während Macron wie die meisten seiner Rivalen einen Ausbau von Gefängnisplätzen und neue Stellen für Polizisten und Gendarmen vorsieht, ist er der einzige, der verspricht, die Neuverschuldung Frankreichs unter die Brüsseler Defizitgrenze zu drücken.

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