Frau der leisen Töne Luciana Lamorgese ist neue Innenministerin Italiens

Rom · Luciana Lamorgese ist am Donnerstagmorgen als neue italienische Innenministerin vereidigt worden. Zuvor war sie Juristin in den Diensten des Innenministeriums und Polizeipräfektin von Mailand.

 Italiens neue Innenministerin Luciana Lamorgese.

Italiens neue Innenministerin Luciana Lamorgese.

Foto: AFP

Als Luciana Lamorgese am Donnerstagmorgen im Quirinalspalast in Rom zu ihrer Vereidigung als neue italienische Innenministerin erschien, fiel die Gesichtsbräune der 65-Jährigen auf. Die Urlaubszeit ist vorbei, insofern kein Wunder. Dass die neue Amtschefin am „Viminale“, wie das Innenministerium auf dem römischen Viminalshügel genannt wird, auch im Amt auf Strandtour geht wie ihr Vorgänger Matteo Salvini ist nicht zu befürchten. Der Lautsprecher und Chef der ultrarechten Lega war im vergangenen Jahr auf allen Kanälen in Italien zu hören, im Sommer tourte er zu populistischen Zwecken durch die Strandbäder Italiens. Es kann gut sein, dass man von Lamorgese erst einmal gar nichts hört. Und das wäre gar kein schlechtes Zeichen.

Die 65-Jährige aus Potenza in der südlichen Region Basilikata ist das älteste Kabinettsmitglied der zweiten, von Premierminister Giuseppe Conte geführten Regierung. Seit 1979 steht die verheiratete Einser-Juristin und Mutter von zwei Kindern in verschiedenen Rollen in den Diensten des Innenministeriums. In Rom wird sie auch als „Technokratin“ bezeichnet, das ist die Chiffre für Experten ohne klare politische Zuordnung oder Parteizugehörigkeit, die Fachleute auf ihrem Gebiet sind und in Ausnahmesituationen hohe politische Ämter übernehmen. Nun kann man einwenden, in Italien sei immer irgendwie Ausnahmezustand. Die letzte große Ausnahmeerscheinung war kein anderer als Salvini, der die Italiener 14 Monate lang, die Dauer der bisherigen Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega, in Atem hielt.

Salvini verhängte Hafenblockaden gegen Schiffe, die Migranten im Mittelmeer aufgenommen haben, erließ Dekrete, mit denen Helfer zu hohen Geldstrafen verurteilt werden können, verringerte den Schutz für Flüchtlinge in Italien und setzte ein Selbstverteidigungs-Gesetz durch. Diese menschenfeindliche, aber von einem Großteil der Italiener gut geheißene Politik, propagierte der bisherige Amtsinhaber im Dauerfeuer über die sozialen Netzwerke.

Die erste weibliche Polizeipräfektin

Die gute Nachricht: Weder sind aus der beruflichen Laufbahn Lamorgeses als Juristin in den Diensten des Innenministeriums drakonische Eingriffe bekannt, noch hat die neue Innenministerin einen Account bei Facebook, Instagram oder Twitter. Bisher kommunizierte sie mit Fakten.

In ihrer kurzen Amtszeit als erste weibliche Polizeipräfektin von Mailand (2017-18) ließ sie ebenso Nomaden-Camps wie besetzte Häuser räumen. Sie zeigte Neonazis an, die bei einer Gedenkveranstaltung mit dem römischen Gruß salutierten, keine Selbstverständlichkeit in Italien. Lamorgese koordinierte auch ein Bündnis von Stadt, Region und Gemeinden zur Integration von Migranten, das in Italien als „Mailänder Modell“ bekannt ist. Danach nehmen kleinere Gemeinden Migranten auf, um die Metropole zu entlasten. Einige Lega-Bürgermeister liefen mit Boykott-Erlassen gegen Lamorgese Sturm, mussten schließlich aber zurückrudern.

In der Zeit, als sich die Salvini-Phase bereits anbahnte, wurde die heutige Innenministerin mit Aussagen wie den folgenden zitiert. „Der Prozess der Integration ist notwendig, um Radikalisierungen zu vermeiden.“ Oder: „Die Aufnahme muss ausgeglichen sein und wenn jeder seinen Teil beiträgt gibt es keine Probleme.“ Das ist der Ton der neuen Innenministerin.

Die Balance von Immigration und Integration war in den vergangenen Jahren zentrales Thema in Lamorgeses Wirken. Erst als Präfektin von Venedig (2010-2013), schließlich als Kabinettschefin im Innenministerium unter dem Ex-Berlusconi-Minister Angelino Alfano und dessen sozialdemokratischem Nachfolger Marco Minniti.

Fraglich wird nun sein, wie Lamorgese mit den Hinterlassenschaften Salvinis umgeht. Wird sie – unterstützt von den Sozialdemokraten – Initiative ergreifen, um die Salvini-Gesetze wieder auszuhebeln? Dagegen spricht die Tatsache, dass die Fünf-Sterne-Bewegung eine Kontinuität in der Sicherheitspolitik wünscht. So könnte es darauf herauslaufen, dass, dem Wunsch des Staatspräsidenten gemäß, einige Vorschriften entschärft werden, aber mehr auch nicht. Die Regierung beabsichtigt, die Migrationsfrage „mit einer strukturellen Herangehensweise, die das Thema in seiner Gesamtheit“ behandelt, anzupacken, heißt es im Programm.

Das sind Formulierungen, wie sie auch Lamorgese gewählt haben könnte.

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