Hochsicherheitszaun am Eurotunnel London verschärft Kurs gegen Flüchtlinge

CALAIS/LONDON · Es war der neunte Todesfall seit Anfang Juni: Ein Flüchtling aus dem Sudan, männlich, zwischen 25 und 30 Jahre alt, kam ums Leben, als er durch den Eurotunnel nach Großbritannien gelangen wollte und von einem Lastwagen überfahren wurde.

Wie er hatten es in der Nacht zum Mittwoch rund 1500 Flüchtlinge versucht, durch den Tunnel ins Königreich zu gelangen. Mindestens 148 von ihnen gelang es: In Folkestone angekommen, beantragten sie Asyl. Andere, vermuten die britischen Behörden, sind nach ihrer Ankuft in Großbritannien untergetaucht.

Die Situation im nordfranzösischen Fährhafen Calais und im nahegelegenen Coquelles, wo der Eurotunnel beginnt, hat sich weiter verschärft. Auf der französischen Seite des Kanaltunnels hat der Betreiber Eurotunnel in diesem Jahr 37 000 Fluchtversuche gezählt.

Die Flüchtlinge versuchen, die Absperrzäune zu überwinden, um in Lastwagen einzubrechen oder auf fahrende Züge aufzuspringen. Das Risiko für Leib und Leben ist groß, aber der Preis, im Königreich Asyl beantragen zu dürfen, scheint es vielen Flüchtlingen wert. In den letzten Tagen und Nächten wurde der Ansturm immer größer. In der Nacht zum Dienstag führte die französische Polizei rund 2000 Eindringlinge vom Gelände des Eurotunnels ab - und ließ sie draußen wieder frei. Kein Wunder, dass in der Nacht darauf die Flüchtlinge erneut ihr Glück versuchten.

Mit dem Katz-und-Maus-Spiel soll demnächst Schluss sein, wie die britische Innenministerin Theresa May gestern verkündete. Sie hatte in Gesprächen mit ihrem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve eine Änderung der bisherigen Praxis erreicht. In Zukunft sollen nicht mehr alle aufgegriffenen Flüchtlinge wieder laufengelassen, sondern einige von ihnen in ihre Heimat, hauptsächlich westafrikanische Länder, abgeschoben werden.

"Das ist ein bedeutender Schritt vorwärts", sagte May, weil es deutlich mache, dass die Leute nach ihrer gefährlichen Reise bis Calais kein Leben in Großbritannien erwarten können, sondern stattdessen wieder zurückgeschickt werden. Darüber hinaus kündigte die Innenministerin weitere Maßnahmen an. Sieben Millionen Pfund, umgerechnet 9,9 Millionen Euro, will die britische Regierung in einen zwei Kilometer langen Hochsicherheitszaun investieren, der die Anlage in Coquelles schützen soll.

Der Flüchtlingsansturm in Calais und Coquelles, der immer wieder zu Schließungen des Eurotunnels und zu Störungen beim Fährbetrieb führte, hat auf der britischen Seite ernste Verkehrsbeeinträchtigungen produziert. Der britische Verband der Speditionsunternehmer schätzt, dass der Industrie pro Tag ein Schaden von 750.000 Pfund entsteht. Der Chef der rechtspopulistischen Partei Ukip Nigel Farage rief auf, die Armee einzusetzen, um die ins Land kommenden Lkw nach illegalen Immigranten zu durchsuchen.

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