Kommentar zur Fotoindustrie Lockvögel

Meinung | Köln · Die Veranstalter auf der Photokina versuchen es mit einem neuen Konzept. Hip wollen sie sein. Doch die Generation Selfie verbindet Fotografie nicht mehr mit Namen wie Fuji oder Kodak.

 Die Umsätze der Fotoindustrie mit Kompakt- und Systemkameras sinken seit Jahren.

Die Umsätze der Fotoindustrie mit Kompakt- und Systemkameras sinken seit Jahren.

Foto: dpa

Es ist keine 20 Jahre her, da benutzten die meisten Hobbyfotografen noch Kameras mit Kleinbildfilm. 24 oder 36 Bilder konnten damit im Urlaub verknipst werden, danach wurden sie entwickelt. Heute undenkbar. Für die junge Generation – die sogenannten Digital Natives – sind die analogen Kameras ein Relikt aus der Steinzeit. Erst Anfang der 2000er wurden Digitalkameras für den Durchschnittsverbraucher erschwinglich. Aber auch diese technische Errungenschaft hat mittlerweile für die breite Masse ausgedient. Die Umsätze der Fotoindustrie mit Kompakt- und Systemkameras sinken seit Jahren. Einzige Ausnahme bilden die Kameras im Profibereich. Dabei werden heute weltweit so viele Fotos gemacht wie nie zuvor.

Allein 2016 drückt die Menschheit voraussichtlich mehr als eine Billion Mal auf den Auslöser. Doch diejenigen, die paradoxerweise am wenigsten davon profitieren, sind die Unternehmen der Fotoindustrie. Die überlegenen Konkurrenten kommen aus einer ganz anderen Branche. Sie heißen Apple oder Samsung. Denn 80 Prozent aller Bilder werden heutzutage mit dem Smartphone gemacht. In diesem schwierigen Umfeld ist die diesjährige Photokina in Köln und der Weg, den die Branche einschlägt, besonders interessant. Immerhin gilt die Veranstaltung als Leitmesse für Fotografie und Video.

Die Veranstalter versuchen es mit einem neuen Konzept. Hip wollen sie sein. Mit Aktionsflächen, Artisten und viel Show wollen sie junge internetaffine Besucher anlocken – diejenigen, die am meisten fotografieren und ihre Eindrücke ständig in Sozialen Netzwerken teilen. Allerdings hat die Messe trotzdem ein großes Problem: Die Generation Selfie verbindet Fotografie nicht mehr mit Namen wie Fuji oder Kodak, die auf der Photokina ihre Neuheiten präsentieren. Um diejenigen anzulocken, die heutzutage täglich ihr Essen fotografieren, müssten Instagram und Youtube beim Rahmenprogramm der Messe mitmischen.

Die Hersteller versuchen sich ebenfalls derweil mit neuen Produkten auf die junge Zielgruppe einzustellen. Zubehör für die Smartphone-Kamera, wie externe Objektive, aber auch Kameradrohnen, Action-Kameras und Virtual-Reality-Brillen sollen die verlorenen Milliardenumsätze wieder gutmachen. In allen genannten Bereichen steigen die Umsätze zwar, allerdings nicht in der nötigen Größenordnung.

Die Umsätze mit Action-Kameras lagen 2015 weltweit bei 8,4 Millionen, 2016 sind es voraussichtlich zehn bis elf. Die innerhalb von fünf Jahren verlorenen 17 Milliarden aus dem Bereich Digitalkamera gleichen diese Kleckerbeträge nicht aus. Drohnen sind spannend, aber für viele junge Menschen einfach noch nicht erschwinglich. Und der Markt der VR-Brillen ist bereits von Unternehmen der Spielebranche stark besetzt. Vielleicht sollte die Fotoindustrie Kooperationen mit der Handyindustrie eingehen. Fest steht: Die Branche braucht Ideen – und zwar richtig gute.

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