Kommentar zur neuen Regierungskoalition in Italien Linksruck in Rom

Meinung | Rom · In Italien bahnt sich nicht nur eine neue Regierungskoalition an, eine Neuausrichtung der Politik in Rom steht bevor. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung paktiert mit den Sozialdemokraten anstatt mit der rechtspopulistischen Lega. Ein Kommentar.

Die Sozialdemokraten haben dabei das vertrautere Profil. Wer die Populisten von der Fünf-Sterne-Bewegung eigentlich sind, ist nur schwer auszumachen. Als „linkspopulistisch“ wird die vom Satiriker Beppe Grillo gegründete Bewegung gerne bezeichnet, die menschenfeindliche Asylpolitik von Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini trug auch sie mit. Zu erwarten ist, dass die Links-Koalition in Rom sich vor allem der sozialen Frage zuwenden wird. 14 Millionen Italiener leben in Italien unter oder an der Armutsgrenze.

Die propagandistische Kontraposition von Immigranten und Einheimischen, die wegen der Versorgung der „Fremden“ zu Kurz kämen, fruchtete zuletzt bei den italienischen Wählern.Doch angesichts dieser Verkürzung und dem harten Vorgehen Salvinis gegen Migranten und Hilfsorganisationen im Mittelmeer bildete sich auch immer mehr Widerstand gegen die Ultrarechte. Dieser Humus bildet nun die ideologische Substanz für die neue Links-Regierung unter Premier Giuseppe Conte. Ob es gelingt, die sozialen Missstände in Italien anzupacken, davon hängt der Erfolg der neuen Exekutive ab.

Mit der Einführung des sogenannten Bürgergehalts, einer verkappten Sozialhilfe, machten die Sterne bereits einen Anfang. Regelmäßige Unterstützung für Bedürftige gab es in Italien bislang nicht. Nun könnten auch der Mindestlohn und mehr Schutz für Menschen in prekären Arbeitsbedingungen kommen. Die Frage ist, wie Italien diese Politik finanzieren kann. Der Streit um Neuverschuldung des mit mehr als 2,3 Billionen Euro hochverschuldeten italienischen Staates dürfte damit keinesfalls beendet sein.

Bei allen Mängeln, die auch die neue Exekutive aufweisen wird, hat sie schon jetzt einen Verdienst. Rechtspopulist Salvini ist vorerst gestoppt. Nun kommt es darauf an, die Italiener von der Illusion der Nützlichkeit von Sündenböcken, in diesem Fall der Migranten, zu befreien. Die Salvini-Propaganda hat sich angesichts der Unzufriedenheit der Italiener über die Verhältnisse im eigenen Land in vielen Köpfen festgesetzt. Hier eine konstruktive Politik zu machen, die den Wert der Solidarität in den Mittelpunkt stellt, ist die Herausforderung für die Links-Koalition.

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