Der Abschuss von MH17 Leugnen oder ignorieren

Moskau · Wie Russland mit dem Bericht über den MH17-Abschuss umgeht, zeugt von Ignoranz. Auf ein Schuldeingeständnis aus Moskau für die Zerstörung der malaysischen Maschine wird die Welt wohl vergeblich warten.

 18. Juli 2014: Ein ukrainischer Ermittler vor Trümmerstücken der malaysischen Boeing 777 mit der Flugnummer MH17.

18. Juli 2014: Ein ukrainischer Ermittler vor Trümmerstücken der malaysischen Boeing 777 mit der Flugnummer MH17.

Foto: dpa

Russlands halbstaatliche Öffentlichkeit hatte gestern andere Sorgen als den Abschlussbericht der internationalen Ermittlergruppe zum Abschuss des malaysischen Fluges MH17 über dem Donbass. Der staatliche Nachrichtenkanal Westi meldete freudig steigende Ölpreise. Die Komsomolskaja Prawda empörte sich über eine deutsche Geldstrafe für den Facebook-Beitrag eines Kasachendeutschen mit wirren Drohungen gegen Schwule, Lesben und Migranten. Die Agentur Ria Nowosti feierte die Leistungen der russischen Luftwaffe in Syrien mit dem Titel: „Das beruhigende Geräusch der Flugzeuge über Aleppo und die Hoffnung auf Sieg.“

Nur wenige liberale Medien berichteten ausführlich über die Ergebnisse der internationalen MH17-Ermittler. Diese hatten erklärt, es sei eindeutig bewiesen, dass die MH17 vom Gebiet der prorussischen Rebellen im Donbass abgeschossen wurde, mit einem Buk-Flugabwehrsystem, das aus Russland herbeigeschafft worden war. Der Radiosender Echo Moskwy stellte sogar eine russische Übersetzung des Berichtes auf seine Website. Aber als „Nachricht des Tages“ machte er mit der Meldung auf, Babyboxen für Findelkinder sollten künftig abgeschafft werden. Und die meisten Medien zitierten zum Thema MH17 kremltreue Experten, die die Ergebnisse aus den Niederlanden nach Kräften infrage stellte.

Ein Sprecher des Verteidigungsministerium empörte sich, die Ermittler stützten sich lediglich auf das Internet und den ukrainischen Geheimdienst, seine Kollegin aus dem Außenministerium nannte die Ermittlungen „voreingenommen und politisiert“. Und Fachleute erbosten sich über die USA, die tatsächlich hinter den Ermittlern steckten, sowie über deren eigennützige Motive. „Sie erfüllen nur ihre politische Aufgabe, Belastungsmaterial gegen Russland zu liefern“, sagt der Militärexperte Viktor Litowkin. „Und sie haben ihre Ermittlungen bis 2018 verlängert. Sie fischen ihre Informationen aus den sozialen Netzen, lassen es sich dabei gut gehen und bekommen viel Geld dafür.“

Kremlsprecher Dmitri Peskow bemühte sich immerhin um einen ausgeglichen Ton. Die vorgelegten Ergebnisse seien ja nur vorläufig, sie könnten stimmen, könnten aber auch nicht stimmen. „Wir sehen keinerlei Beweise.“

Damit folgt Russlands öffentlicher Diskurs dem gleichen Schema wie gegenüber Staatsdopingvorwürfen, Berichten über Wahlbetrug oder dem Verdacht, russische Kampfflieger seien an der Vernichtung des UN-Hilfskonvois bei Aleppo beteiligt gewesen: Ministerien leugnen empört, Medien und Fachwelt liefern heftige Gegenanklagen, meist an die Adresse Amerikas, der Kreml gibt sich gelassen. Mit der immer gleichen Botschaft: „Unser Staat ist außerstande, etwas Unmoralisches zu tun.“

Zwar wimmelt es im Internet von privaten Posts, die ganz andere Ansichten äußern. „Aber das Regime hat die öffentliche Meinung monopolisiert“, sagt der Moskauer Politologe Viktor Korgonjuk. „Wladimir Putin persönlich entscheidet, in welchen Fällen Staatsräson vor Wahrheit geht.“ Allerdings müssen die Behörden immer mehr Skelette im Schrank verstecken. Und Korgonjuk glaubt, früher oder später werde man nicht daran vorbeikommen, die Wirklichkeit einzugestehen. „Ein Gericht wird das endgültige Urteil fällen“, kündigte der niederländische Staatsanwalt Fred Westerbeke nach der Vorstellung des MH17-Berichtes an. Auch diese unheilschwangere Aussage wollte in Russland niemand zitieren.

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