Europäische Union Leitfaden für ungeordneten Brexit

Brüssel · Der Auftritt der britischen Premierministerin Theresa May, die zuvor für Zugeständnisse und ein Entgegenkommen geworben hatte, fiel einmal mehr unbefriedigend aus. Die EU zeigte sich verärgert.

 Gegenwind für die britische Premierministerin Theresa May.

Gegenwind für die britische Premierministerin Theresa May.

Foto: AP

Die wichtigste Nachricht hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker parat: Am kommenden Mittwoch werde sein Haus einen Leitfaden für einen ungeordneten Brexit ohne Deal vorlegen, sagte er am frühen Freitagmorgen. Alle Vorbereitungen für ein Ausscheiden des Vereinigten Königreiches ohne Übereinkommen mit der EU würden nun intensiviert. Mit anderen Worten: Nach stundenlangen Beratungen war den 27 Staats- und Regierungschefs klar geworden, dass die Chancen auf eine Übereinkunft mit Übergangsregelungen und zeitweiser Zollunion schwinden.

Der Auftritt der britischen Premierministerin Theresa May, die zuvor für Zugeständnisse und ein Entgegenkommen geworben hatte, fiel einmal mehr unbefriedigend aus. Mehrmals habe Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Amtskollegin aus London sogar unterbrochen und konkretere Aussagen gefordert, berichteten Gipfelteilnehmer. Von „sehr schlechter Stimmung“ war die Rede. Juncker selbst bezeichnete Mays Darbietung als „mitunter nebulös und unpräzise“. Mehr noch: „Unsere britischen Freunde müssen uns sagen, was sie wollen, anstatt uns zu fragen, was wir wollen“. Die EU zeigte sich verärgert.

Trotzdem bot man May an, die bereits getroffenen Aussagen vor allem zum umstrittenen Backstop zu ergänzen, falls das helfen würde. Es geht dabei um eine Notlösung, falls es in der Übergangsphase bis Ende 2022 nicht zu einer Klärung der Grenzfrage zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland kommt. In diesem Fall solle das Königreich vorerst in einer Zollunion bleiben – so die bisherige Einigung. Im Schlussdokument des Gipfels heißt es dazu, dieser Backstop „würde nur befristet angewandt, bis er durch eine Folgelösung ersetzt würde, die sicherstellt, dass eine harte Grenze vermieden wird“. May nannte dies „eine konkrete Zusage und klarer, als die EU dies bisher ausgedrückt hat“. Merkel betonte noch einmal, dass man „eine Partnerschaft mit Großbritannien“ wolle. Es blieb die einzige Äußerung aus der Gipfel-Runde, die positiv klang. Die Übrigen haben einfach nur genug von dem Hin und Her der Briten.

Stattdessen versucht die Union es nun mit erkennbarem Druck auf London. Schon ist von einem weiteren Brexit-Sondertreffen der 27 Staats- und Regierungschefs im Januar die Rede. Schließlich hatte May angekündigt, die in dieser Woche verschobene Unterhaus-Abstimmung über den ausgehandelten Austrittsvertrag bis spätestens 21. Januar nachzuholen, obwohl keine Mehrheit im Parlament in Sicht ist. In Brüssel tagt seit Monaten eine Arbeitsgruppe mit Spezialisten unter Leitung des Generalsekretärs der Kommission, Martin Selmayr. Ihre Aufgabe: Leitlinien für die EU zu entwickeln, falls es am 29. März 2019 zu einem harten Bruch ohne Deal kommt. Vergleichbare Krisenteams gibt es auch in einigen Mitgliedstaaten, darunter im Bundeskanzleramt.

Bisher tagte die Brüsseler Task Force nur hinter verschlossenen Türen. Das soll anders werden: In der kommenden Woche stellt die EU ihre Ergebnisse vor. Die Union will Großbritannien unmissverständlich vor Augen führen, was passiert, wenn die Politiker auf der Insel ihren Schlingerkurs fortsetzen und am Ende den vorliegenden Austrittsvertrag ablehnen.

Die Kanzlerin appellierte zum Ende der Brexit-Beratungen zwar noch einmal: „Beide Seiten müssen sich Mühe geben.“ Aber auch diese Worte klangen bereits reichlich resigniert.

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