Kreml kontert Sanktionen mit Einfuhrverbot für West-Lebensmittel

Moskau/Donezk/Berlin · Russland verhängt im Gegenzug für westliche Sanktionen im Ukraine-Konflikt ein einjähriges Einfuhrverbot für zahlreiche Agrarprodukte und Lebensmittel.

Betroffen seien jene Länder, die Strafmaßnahmen gegen Moskau erlassen hätten, teilte Kremlchef Wladimir Putin in einem am Mittwoch in Moskau unterzeichneten Dekret mit. Dazu zählen die EU und die USA sowie weitere Länder wie Kanada, die Schweiz und Japan. Unterdessen nahm in der Ostukraine der Kampf um die strategisch wichtige Separatistenhochburg Donezk noch an Härte zu.

Das Einfuhrverbot diene den nationalen Interessen und der Sicherheit Russlands, hieß es in dem Ukas. Putin betonte, die Regierung werde eine detaillierte Liste der Produkte ausarbeiten, die "verboten oder begrenzt" würden.

Im Gegenzug will Russland mehr Waren aus Südamerika importieren. Gespräche seien für diesen Donnerstag mit den Botschaftern Ecuadors, Brasiliens, Chiles und Argentiniens geplant, meldete die Agentur Interfax.

Russland hatte zuletzt bereits mehrere Importverbote für westliche Produkte erlassen, diese aber mit Hygienefragen und Verbraucherschutz begründet. Nun wies Putin die Regierung zu einer strengen Preiskontrolle an, damit die Maßnahmen nicht zulasten der Verbraucher gingen.

Westliche Lebensmittel sind in Russland bisher überall erhältlich. Allerdings greifen viele Russen eher auf heimische Produkte zurück, weil Westware in der Regel deutlich teurer ist.

Der Deutsche Bauernverband erwartet nun einen steigenden Angebotsdruck im EU-Binnenmarkt, wie Vize-Generalsekretär der Deutschen Bauernverbands, Udo Hemmerling, der Nachrichtenagentur dpa sagte. Deutsche Unternehmen sind wegen des Wirtschaftskonflikts ohnehin bereits verunsichert, was sie ausführen dürfen und was nicht, wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) deutlich machte.

Deutschland war zuletzt der zweitwichtigste Handelspartner Russlands. Nach Daten der Germany Trade & Invest (GTAI) für 2012 kamen 9,4 Prozent der russischen Einfuhren aus Deutschland - damit liegt die Bundesrepublik hinter China auf Rang zwei der Lieferländer.

Die EU und die USA werfen Russland vor, nichts zur Entspannung der Lage in der Ukraine zu unternehmen. Sie hatten deshalb vor kurzem erstmals ganze russische Wirtschaftszweige mit Sanktionen belegt. Betroffen sind der Finanz-, Energie- und der Militärsektor.

Im Kampf um die Separatistenhochburg Donezk griff die ukrainische Luftwaffe erstmals Ziele nahe des Zentrums der Großstadt an. Bei den Attacken auf Stellungen der Aufständischen starben mindestens drei Zivilisten, wie der Stadtrat mitteilte. Wegen der Gefechte zog die OSZE Beobachter aus der Stadt ab.

Russland wies Vorwürfe des Westens zurück, die Krise durch einen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze weiter anzuheizen. Die Behauptungen seien eine "Irreführung der Weltöffentlichkeit", erklärte das Verteidigungsministerium der Agentur Interfax zufolge.

Die Bundesregierung forderte von Moskau "größtmögliche Transparenz". "Angesichts der angespannten Situation trägt die Kombination aus einem großangelegten Militärmanöver und einer Truppenkonzentration nahe der Grenze nicht zu der von uns geforderten Entschärfung der Lage bei", sagte eine Außenamtssprecherin.

Die Nato warnte vor einer "gefährlichen Situation". "Wir können sehen, was Russland macht - und das erfüllt uns mit großer Sorge", sagte eine Sprecherin. Die Nato fürchtet, dass Moskau Truppen in die Ostukraine senden könnte.

Die Aufständischen in Donezk erwarteten eine Erstürmung der Stadt. "Wir sind gut darauf vorbereitet", sagte Separatistenführer Sergej Kawtaradse. Die Armeeführung in Kiew betonte aber unter Hinweis auf die dort lebenden Menschen, sie plane keine "kopflose" Erstürmung von Donezk oder des benachbarten Lugansk.

Die Zahl der Opfer stieg weiter. Innerhalb von 24 Stunden wurden nach ukrainischen Militärangaben 18 Soldaten getötet und 54 verletzt. In der Stadt Gorlowka berichteten die Behörden von 33 getöteten und 129 verletzten Zivilisten in den vergangenen Tagen. Gas- und Wasserversorgung seien zerstört. Auch in Lugansk müssen nach Behördenangaben Zehntausende ohne Strom und Wasser auskommen.

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski warnte, wenn Russland Truppen unter dem Vorwand einer "Friedensmission" in das Nachbarland entsende, wäre das "eine Vergewaltigung internationalen Rechts".

Wegen anhaltender Kämpfe im Gebiet des Absturzes von Flug MH17 in der Ostukraine wird die Mission zur Bergung sterblicher Überreste und persönlicher Gegenständen zunächst eingestellt. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte teilte mit, der Einsatz sei für die rund 100 Kräfte aus den Niederlanden, Australien und Malaysia zu gefährlich geworden.

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