Kommentar zum Urteil gegen Niels Högel Krankenhäuser fürchteten um den guten Ruf

Meinung | Oldenburg · Die Taten des Krankenpflegers Niels Högel sind monströs. Das Urteil des Gerichts ist angemessen. Mehr Strafe sieht das Gesetz nicht vor. Abgeschlossen ist die Sache damit jedoch nicht.

Dass Niels Högel ein Täter war, stand schon vor dem Verfahren fest. Das Gericht wollte den vielen Hundert Angehörigen Klarheit verschaffen, wie ihre Mütter, Väter, Geschwister oder Kinder zu Tode gekommen sind und welche Motive den Täter leiteten. Mit so einem Vorhaben ist ein Prozess dieser Größenordnung zwangsläufig überfordert. Aber den Oldenburger Richtern ist es gelungen, ein wenig mehr Klarheit zu schaffen und den Täter und seine Beweggründe etwas deutlicher zu zeichnen.

Zufrieden ist am Ende wohl niemand. Aber der Abschluss ermöglicht den Hinterbliebenen hoffentlich, mit ihrer Trauer und dem Entsetzen über eine unerklärliche Tat zu leben.

Offen ist die Frage, warum Högel jahrelang nicht zu stoppen war. Es gab auf den Stationen der Krankenhäuser in Oldenburg und Delmenhorst schon früh kaum übersehbare Hinweise, dass etwas nicht stimmte. Aber die Reaktionen der Verantwortlichen blieben halbherzig. Dieses Versagen setzte sich vor Gericht fort. Es waren die erbärmlichen Erinnerungslücken ehemaliger Kollegen, von Ärzten und Oberärzten, die hier besonders negativ auffielen. Sie weisen auf Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit, mindestens aber Verantwortungsscheu im Umgang mit den Patienten hin. Die Krankenhäuser fürchteten um ihren guten Ruf und suchten nach einfachen Lösungen. Gut, dass die Justiz hier nicht locker ließ und weitere Verfahren ansetzte.

Viele Krankenhäuser haben den Fall Högel zum Anlass genommen, den Umgang mit Verdachtsfällen zu regeln. Die Sorge um den Ruf darf nie wieder Leben kosten.

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