Kommentar zur Ministerpräsidentin und der Silvesternacht Kraft mit Kratzer

Meinung | Düsseldorf · Die Ministerpräsidentin war als Zeugin in den Untersuchungsausschuss des Landtags zur Kölner Silvesternacht geladen. Doch ihr Stuhl fühlte sich so hart an wie eine Anklagebank.

 Im Untersuchungsausschuss: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft entschuldigte sich bei den Opfern der „zutiefst entwürdigenden“ Taten.

Im Untersuchungsausschuss: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft entschuldigte sich bei den Opfern der „zutiefst entwürdigenden“ Taten.

Foto: dpa

Hannelore Kraft sollte zu den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen an einem der prominentesten Plätze des Landes Auskunft geben.

Zehn Monate vor der Landtagswahl kann man bei einem solchen Termin nur verlieren. Kraft tat eigentlich das, was jedes Handbuch zur Krisenkommunikation empfiehlt: Sie gab sich angemessen zerknirscht („kommunikative Fehler“), fand einfühlsame Worte für die Opfer und attackierte die Opposition („politisches Schauspiel“). Doch am Ende bleibt der fatale Eindruck einer Ministerpräsidentin, die nicht aus der Defensive kommt.

Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat die Aufklärung der Kölner Exzesse auch mit 70 Zeugenbefragungen kaum voran gebracht, dafür aber schon jetzt Krafts wichtigstes politisches Kapital entwertet: Ihr sorgsam gepflegtes Image als „Kümmerin“. Sie war nicht präsent, als die ganze Welt Anfang Januar über einen entfesselten Migranten-Mob mitten in Nordrhein-Westfalen diskutierte.

Ihr so sicheres Gespür für die richtige Geste im rechten Moment hat sie im Umgang mit Hunderten überfallenen Frauen verlassen. Nur ein einziges Opfer hat sie bis heute persönlich gesprochen – am Rande einer Talkshow. Dieser bleibende Eindruck ist die wahre politische Gefahr dieses Tribunals vom Freitag. Nicht die vorhersehbaren Fragen der Opposition, die sich routiniert parieren lassen.

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