Erfolg des deutschen Ausbildungssystems Kölner und Bonner Handwerker bieten Spaniern Hilfe an

Köln/Bonn · Auch in Bonn/Rhein-Sieg und bundesweit liegt die Jugendarbeitslosigkeit im Schnitt nicht höher als die allgemeine Arbeitslosigkeit. Das ist in den meisten europäischen Ländern anders. Junge Menschen sind dort weit überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen. Worin der Erfolg des deutschen Ausbildungssystems liegt, verrät Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln.

 Für junge Menschen ist Deutschland derzeit der sicherste Arbeitsmarkt in der EU.

Für junge Menschen ist Deutschland derzeit der sicherste Arbeitsmarkt in der EU.

Foto: dpa

Ja, es gibt sie, die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland. "Hallo, meine Stieftochter wird bald 18 Jahre. Sie hat nun die zweite Lehrstelle geschmissen - hat sich das zweite Mal nach wenigen Wochen kündigen lassen", findet sich etwa ein Eintrag in einem Internet-Forum: "Wie ist das nun?.. Bekommt sie dann Arbeitslosengeld?" Jung und perspektivlos - das trifft in Deutschland vor allem die Abbrecher. Schulabbrecher oder Ausbildungsabbrecher. Jugendliche mit einem Schul- oder Ausbildungsabschluss haben nach offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Deutschland aber so gute Chancen auf Arbeitsmarkt wie nirgendwo sonst in Europa.

Beispiel Köln: Hier waren im Juli 7,8 Prozent der 15 bis 24 Jahre alten jungen Menschen, die nicht mehr zur Schule gingen, arbeitslos gemeldet. Was sagt die Zahl aus? Nicht sehr viel, denn saisonal gibt es jedes Jahr im Sommer mehr arbeitslose Jugendliche. Die Schule oder Ausbildung ist vorbei, und die Lehre oder der erste Job starten erst im Herbst. Junge Fachkräfte, die nicht übernommen werden, brauchen in der Regel ein paar Monate, bis sie einen Job finden, erläutert die Kölner Arbeitsagenturchefin Roswitha Stock.

Einen Anhaltspunkt, wie es jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt geht, liefert der Vergleich der Jugendarbeitslosenquote mit der allgemeinen Arbeitslosenquote. Die lag in Köln im Juli bei 9,8 Prozent und damit zwei volle Punkte höher als die Jugendarbeitslosigkeit.

Niedrige Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich

Auch in Bonn/Rhein-Sieg und bundesweit liegt die Jugendarbeitslosigkeit im Schnitt nicht höher als die allgemeine Arbeitslosigkeit. Das ist in den meisten europäischen Ländern anders. Junge Menschen sind dort weit überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen. Besonders krass ist die Situation derzeit in Spanien und Griechenland, wo mehr als jeder Zweite arbeitssuchende junge Mensch zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos ist.

Dass die Situation für junge Menschen in Deutschland im Vergleich so gut ist, führt Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln, einerseits auf die gute Konjunktur in Deutschland zurück. Andererseits habe das Duale Ausbildungssystem zu dem Erfolg beigetragen.

Duales System punktet durch Praxisnähe

Das unterstreichen auch die Industrie- und Handelskammern (IHK) in Köln und Bonn. Die duale Ausbildung, die fast zwei Drittel der jungen Menschen nach der Schule in Deutschland starten, sei praxisnah, marktnah und bedarfsgerecht. Zehn Prozent mehr Auszubildende haben die IHK-Betriebe in der Region in diesem Jahr aufgenommen, bei den Handwerksbetrieben liegt das Plus bei acht Prozent.

Im Schnitt stellen die Handwerksbetriebe in der Region pro Jahr 5500 Auszubildende ein. Sie bilden dabei auch über Bedarf aus. Man habe auch der spanischen Regierung angeboten, spanische Jugendliche hier auszubilden, sagte Weltrich. Man wolle helfen und nicht durch Abwerbung von jungen Menschen den Fachkräftebedarf decken. Vor Jahren habe man Irland ein ähnliches Angebot gemacht. Die meisten der Jugendlichen seien nach der Ausbildung wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt.

Übergang von Schule zu Beruf verbesserungsfähig

Um noch mehr junge Menschen in Jobs zu bekommen, gibt es laut Weltrich aber noch Verbesserungsmöglichkeiten. Sieben Prozent der jungen Menschen verlassen die Schulen in NRW ohne Abschluss. Die Quote verbessere sich zwar, aber es seien noch immer zu viele junge Menschen nicht ausbildungsreif, wenn sie die Schule verließen. Der Übergang von der Schule in den Beruf müsse weiter verbessert werden. Dann könne auch die Zahl der Ausbildungsabbrecher, die zuletzt auf 15 Prozent wieder leicht angestiegen sei, gesenkt werden.

Außerdem müssten noch mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund für eine Ausbildung gewonnen werden. Unter anderem wirbt die Kammer mit mehrsprachigen Ausbildungsbörsen für eine Ausbildung im Handwerk. "Das Hauptproblem ist die Integration Jugendlicher ohne Schul- und Berufsausbildung", sagt auch Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim unternehmernahen Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

Defizite schon im Elternhaus und im Bildungssystem führten dazu, dass immer noch zu viele Jugendliche ohne die nötigsten Qualifikationen für den Arbeitsmarkt von der Schule abgingen. "Da wird zwar viel investiert, Korrekturen sind aber sehr schwierig", sagt Schäfer.

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