Lugansk Kiew bekommt Aufruhr in Ostukraine nicht in Griff

Kiew/Luxemburg · Im Konflikt mit den moskautreuen Separatisten in der Ostukraine sendet Interimspräsident Alexander Turtschinow widersprüchliche Signale.

 Vermummte Besetzer der Polizeistation in der Stadt Slawjansk. Foto: Roman Pilipey

Vermummte Besetzer der Polizeistation in der Stadt Slawjansk. Foto: Roman Pilipey

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Nach dem wirkungslos verhallten Ultimatum an die prorussischen Aktivisten bot er am Montag eine Volksabstimmung über eine Föderalisierung des Landes an, die zeitgleich mit der Präsidentenwahl am 25. Mai stattfinden könnte. Zugleich unterzeichnete er einen Befehl für einen Spezialeinsatz im Osten des Landes. Was dies konkret bedeutet, blieb zunächst unklar.

Die Separatisten, die sich seit Tagen in öffentlichen Gebäuden in mehreren Städten der russisch geprägten Ostukraine verschanzt haben, kündigten weiteren Widerstand an. Die ultimative Aufforderung der prowestlichen Regierung in Kiew, die Waffen bis Montagmorgen abzugeben und die besetzten Gebäude zu räumen, ließen sie unbeachtet.

Die ukrainische Präsidentenkandidatin Julia Timoschenko forderte die internationale Gemeinschaft zu "direkter militärischer Hilfe" auf. Das ukrainische Volk kämpfe um seine Freiheit, betonte die Ex-Regierungschefin.

Zu Waffenlieferungen erklärte die US-Regierung, daran werde derzeit nicht gedacht. "Das ist ganz und gar nicht das, worauf unser Fokus liegt", sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki. "Wir sehen keine militärische Lösung in der Krise und das hat sich nicht geändert."

Die Europäische Union, die im Einklang mit Washington Russland die Schuld an der instabilen Lage in Ukraine gibt, wird möglicherweise schon in der kommenden Woche umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen.

"Wir müssen feststellen, dass es im Osten und im Südosten der Ukraine Aktionen von großer Gewalt gibt, die organisiert sind", sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius nach einem Treffen seiner EU-Kollegen in Luxemburg. "Und ganz besonders scheint es klar zu sein, dass Russland eine Verantwortung für diese Gewalt trägt. Davon ausgehend müssen wir handeln."

Die Außenminister der 28 EU-Länder hatten zuvor Finanzhilfen in Höhe von einer Milliarde Euro für die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine freigegeben und zugleich einer Streichung fast sämtlicher Zölle für Waren aus dem Land zugestimmt. Damit soll die wirtschaftliche Lage der Ukraine stabilisiert werden.

Auch US-Finanzminister Jacob Lew unterzeichnete einen Hilfskredit für die Ukraine in Höhe von einer Milliarde Dollar (725 Millionen Euro). Die Ukrainer hätten auf ihrem Weg zu einem unabhängigen politischen Kurs "enormen Mut" bewiesen, sagte er. Der Internationale Währungsfonds (IWF) will in den kommenden Wochen ebenfalls über Milliardenhilfen für die Ukraine entscheiden. Der IWF will das Land mit einem weiteren Hilfspaket mit bis zu 18 Milliarden Dollar (13 Mrd Euro) unterstützen.

Die EU-Außenminister beschlossen zudem, die Liste der von Kontensperrungen und Einreiseverboten Betroffenen auf weitere Personen auszuweiten. Bisher hat die Europäische Union 33 Russen und Ukrainer mit solchen Strafmaßnahmen belegt.

US-Präsident Barack Obama, sein französischer Kollege François Hollande und der britische Premierminister David Cameron riefen die Konfliktparteien in der Ukraine zur Zurückhaltung auf. Nach einem Gespräch mit Obama forderte Hollande am Montag in Paris dazu auf, Provokationen zu vermeiden.

Die prorussischen Aktivisten in der Ostukraine hatten das Ultimatum der Regierung in Kiew trotz der angedrohten Offensive verstreichen lassen. "Wir bleiben auf unseren Posten", sagte der Sprecher der Aktivisten in Lugansk, Alexej Tschmulenko, am Montag. "Keiner von uns gibt auf", sagte er der Agentur Interfax. In der ostukrainischen Stadt Gorlowka brachten Aktivisten bei einem Sturm auf die Polizeizentrale ein weiteres Gebäude in ihre Gewalt.

Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben Anhaltspunkte dafür, dass Russland bewaffnete Separatistengruppen in der Ostukraine unterstützt. "Vieles deutet darauf hin, dass die in der Ostukraine aktiven bewaffneten Gruppen Unterstützung aus Russland erhalten", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in Berlin. "Wenn man sich das Auftreten, die Uniformierung und die Bewaffnung einiger dieser Gruppen ansieht, kann es sich kaum um spontan aus Zivilisten gebildete Selbstverteidigungskräfte handeln."

Russland hat Berichte über einen bevorstehenden Einmarsch in die Ostukraine stets mit Nachdruck zurückgewiesen. Gleichzeitig ließ Kremlchef Wladimir Putin über seinen Sprecher wissen, er erhalte sehr viele Anfragen aus grenznahen Regionen "mit der Bitte um Hilfe in dieser oder jener Form, mit der Bitte um Einmischung in dieser oder jener Form".

Für Donnerstag sind in Genf Gespräche zwischen Russland, den USA, der Ukraine und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton geplant, bei denen Möglichkeiten für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts ausgelotet werden sollen.

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