Kommentar zum Fall Böhmermann Keine Lex Gauck

Meinung | Berlin · Böhmermanns Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Erdogan beschäftigt weiter die Politik. Merkel zeigt Selbstkritik, und der Bundespräsident will bei der Abschaffung des Majestätsbeleidigungs-Paragrafen nichts überstürzen.

 Denkt nicht majestätisch: Bundespräsident Joachim Gauck.

Denkt nicht majestätisch: Bundespräsident Joachim Gauck.

Foto: dpa

Joachim Gauck will sich Zeit lassen. Und Angela Merkel ärgert sich über sich selbst. Hier also der Bundespräsident, der klar macht, dass er bei der geplanten Streichung des Paragrafen 103 im Strafgesetzbuch, der die Beleidigung ausländischer Staatschefs ahndet, nichts überstürzen möchte. Dort wiederum die Bundeskanzlerin, die mit ihrer vorschnellen Äußerung hadert, wonach das Schmähgedicht des Comedian Jan Böhmermann über dessen scharf zugespitzte Beschreibung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan „bewusst verletzend“ sei. Merkel, die gemeinhin jedes Wort abwägt, habe der Justiz nicht vorgreifen wollen. Aber bitte, die Ermächtigung, in der Causa Böhmermann zu ermitteln, sei richtig gewesen.

Ein Schmähgedicht über einen ausländischen Präsidenten beschäftigt die deutsche Staatsspitze. Denn der Bundespräsident, der Gesetze ausfertigt, muss auch unterschreiben, wenn, wie hier geplant, ein Gesetz abgeschafft werden soll. Der Paragraf 103 regelt das Strafmaß in Fällen, die früher Majestätsbeleidigung waren, also von anno dazumal. Gauck hat zur Türkei ein besonderes Verhältnis. Mindestens als Einmischung in die inneren Angelegenheiten empfand Erdogan die Rede Gaucks bei dessen Staatsbesuch 2014 und die Mahnung, Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu respektieren.

Gauck lässt immerhin erkennen, dass er eine „Lex Gauck“ wie im Paragraf 90, der die Verunglimpfung des Bundespräsidenten unter Strafe stellt, nicht brauche. Das ist nicht sehr majestätisch gedacht und könnte auf eine gewisse Tendenz im Falle des Paragrafen 103 hindeuten.

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