Kommentar zu den neuen Abschiebungsplänen Keine Lösung

Meinung | Bonn · Es klingt so einfach: Wer kein Aufenthaltsrecht hat in Deutschland, soll abgeschoben werden, und das möglichst schnell. Wer wollte schon etwas dagegen sagen? Dass ein Staat das Recht hat zu bestimmen, wer zuwandern darf und wer nicht, ist unbestritten.

 Abschiebung nach Afghanistan: Polizisten betreten ein Flugzeug in Frankfurt, das Flüchtlinge zurückführen soll.

Abschiebung nach Afghanistan: Polizisten betreten ein Flugzeug in Frankfurt, das Flüchtlinge zurückführen soll.

Foto: dpa

Doch die neuen Abschiebungsregeln, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, tragen kaum dazu bei, das Problemknäuel aus Flucht, Asyl, Bleiberecht und Zuwanderung zu entwirren. Sie geben vor, klare Kante zu zeigen, und vernebeln doch nur den Blick.

Denn eine Antwort auf die entscheidende Frage, wie eine konsequente Abschiebung in der Praxis durchgesetzt werden soll, wird nicht gegeben, kann auch gar nicht gegeben werden: Um jemanden abschieben zu können, braucht es immer auch ein Land, das ihn aufnehmen will. Das ist, wie hinreichend bekannt, bei Ländern wie etwa in Nordafrika schwierig, solange es keine funktionierenden Rücknahmeabkommen gibt. Da helfen auch zentrale Ausreisezentren nicht weiter, die der Bund vorgeschlagen hatte. Dass Bund und Länder beim Thema Abschiebung enger kooperieren, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Auch ohne das neue Vorhaben ist die Zahl der Abschiebungen im vergangenen Jahr um gut 20 Prozent gestiegen, die Zahl der vom Bund geförderten freiwilligen Ausreisen gar um mehr als 45 Prozent. Hinzu kommen weitere Ausreisen, die von den Ländern unterstützt wurden. Solche Programme zu verstärken und die Rückkehrerberatung auszubauen, ist sicher sinnvoll, aber alles andere als ein neuer Kurs.

Tatsächlich gibt es ja auch viele Stellschrauben, an denen sich gar nicht drehen lässt, ohne Prinzipien des Rechtsstaates oder der Humanität zu verletzen. Dazu zählt zum Beispiel, dass im Herkunftsland eine akute Gefahr für das Leben, den Körper oder andere grundlegende Menschenrechte drohen. Oder die Frage, welches Land ein „sicheres Herkunftsland“ ist: Ist es vertretbar, Menschen nach Afghanistan abzuschieben, obwohl die Zahl der zivilen Konfliktopfer – vor allem der Kinder – dort höher ist als je zuvor und der Staat die Kontrolle über weite Teile des Landes vollständig verloren hat?

Der Grund, warum Merkel und Co. mit dem Maßnahmenpaket zur Abschiebung Härte zu demonstrieren versuchen, liegt auf der Hand: Der Wahlkampf hat begonnen, das Thema Flüchtlinge und Abschiebung wird mit Sicherheit im Zentrum der AfD-Kampagne stehen. Merkel braucht einen Imagewechsel und will die Willkommens-Kanzlerin vergessen machen. Und selbst SPD-geführte Länder machen inzwischen mit bei dem beschämenden Wettlauf, wer die höchsten Abschiebungszahlen vorzuweisen hat.

Ob die Wähler das honorieren werden, steht auf einem anderen Blatt. Keine Frage: Konsequente Abschiebung ist wichtig. Wer aber die Wiederholung einer Situation wie 2015 verhindern will, muss vor allem die Fluchtursachen bekämpfen.

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