Samaras bei Merkel Kein Gleichschritt in Berlin

Berlin · Griechenlands Ministerpräsident Samaras wirbt bei Bundeskanzlerin Merkel um "Zeit zum Atmen". Die Botschaft kommt dann nach drei Minuten. Und der Gast aus Griechenland hört sie gerne. Sie ist so unmissverständlich, als wollte Angela Merkel frühere Äußerungen ihres Vize-Kanzlers Philipp Rösler regelrecht vom Markt fegen und zugleich einer Begebenheit vom Vorabend die Kraft nehmen.

 Gemeinsamer Weg, aber noch kein Gleichschritt: Antonis Samaras und Angela Merkel gestern in Berlin.

Gemeinsamer Weg, aber noch kein Gleichschritt: Antonis Samaras und Angela Merkel gestern in Berlin.

Foto: dpa

"Ich will ganz deutlich sagen, dass Griechenland Teil der Eurozone ist und ich will auch, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibt. Der Euro ist mehr als eine Währung - er ist die Idee eines geeinten Europas." Die Bundeskanzlerin hat gesprochen.

Diese beiden Sätze werden sofort transportiert. Die Märkte werden sie aufsaugen. Die Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP), der kürzlich schwadroniert hatte, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone mittlerweile seinen Schrecken verloren habe, ist damit wie weggespült.

Und Merkels womöglich beredtes Schweigen 20 Stunden zuvor beim Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande zum Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone, bei dem sich der Franzose klar für einen Verbleibt Athens ausgesprochen hatte, ist damit auch erklärt.

Selbst eine Nicht-Äußerung Merkels in dieser Hochphase der Währungs- und Schuldenkrise, von der viele eine Entscheidung über Griechenlands Euro-Zukunft im Herbst erwarten, provoziert nervöse Reaktionen. Der neu gewählte griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat seinen mit Spannung erwarteten Deutschland-Besuch medial mit einer großen Charmeoffensive vorbereitet.

Der Regierungschef des Euro-Sorgenkindes Nummer 1 besucht die Kanzlerin des europäischen Musterknabenlandes. Samaras hatte zuvor in zwei Interviews deutscher Tageszeitungen versichert, dass die Deutschen ihr Geld zurückbekommen würden und sein Land wirklich blute. Sicher, Canossa liegt in Italien, nicht in Griechenland. Die Zeit der Bittgänge ist lange vorbei.

Aber eine Sache ist Samaras, dessen Land vor der Pleite steht, sollte die nächste Kredittranche aus dem Euro-Rettungsschirm nicht ausbezahlt werden, wichtig: Zeit. Es geht ihm um nichts weniger als um mehr Zeit, die vereinbarten Reformen auch umzusetzen. Samaras wirbt für einen Aufschub: "Wir brauchen Zeit zum Atmen."

Die Griechen seien "ein stolzes Volk", sie wollten "nicht von geliehenem Geld leben" und "so weit wie möglich unsere Ziele erreichen". Nur wie weit ist dies möglich?

So versuchen sich Merkel und Samaras im Gleichschritt, ohne ihn tatsächlich bereits zu erreichen. Das Tempo ist hoch, der Druck ist groß, die Zeit ist knapp. Oben Deutschland, unten Griechenland. Merkel spricht von "zwei Wirklichkeiten", aus der möglichst bald wieder "eine Wirklichkeit" werden solle. "Ergebnisse" müssten her.

Und Samaras verspricht, diese auch zu liefern. Deutschland sei "verpflichtet, zu helfen", betont wiederum die deutsche Bundeskanzlerin. Aber man dürfe von Griechenland auch erwarten, dass es seinen Verpflichtungen nachkomme. Worten müssten Taten folgen. Und Griechenland wiederum dürfe von Deutschland erwarten, dass dort "keine vorschnellen Urteile" gefällt würden, sondern erst eine "belastbare Grundlage" für eine Entscheidung geschaffen werde.

Diese Basis soll der Bericht der Troika von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds über den Stand der Reformen in Griechenland liefern. Danach erst wird der Daumen wohl gehoben oder gesenkt. Mehr Zeit, mehr Reformen, mehr Geld, mehr Europa.

Womöglich sieht so die Rezeptur aus, die Europas Staats- und Regierungschefs in einer weiteren Nachtoperation in Brüssel dem griechischen Patienten verordnen werden. Der Wirtschaftswissenschaftler Samaras sieht im Wachstum das wichtigste Rezept gegen die Schuldenkrise.

Zum Schluss sagt er in der Sprache seiner Gastgeberin: "Herzlichen Dank." Deutschland soll ihn verstehen.

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