Die Linken Katharina Schwabedissen: "Wir machen keinen Wahlkampf gegen die Piraten"

WESEL/KÖLN · Die Linken gehen mit Katharina Schwabedissen an der Spitze in die Landtagswahl an Rhein und Ruhr. Sie setzt auf Inhalte anstatt Rivalitäten.

 Inhalte vor Äußerlichkeiten: Katharina Schwabedissen.

Inhalte vor Äußerlichkeiten: Katharina Schwabedissen.

Foto: AP

Von der mobilen Bühne dröhnt der Klassiker "Boat on the river". Es ist der letzte Song, den der Alleinunterhalter spielt, bevor Gregor Gysi zu den Menschen sprechen wird. Um ihn, den Fraktionschef der Linken im Bundestag, zu hören, sind an diesem Montagmittag knapp 100 Menschen in die Fußgängerzone von Wesel gekommen.

Gysi könnte den Titel jetzt aufnehmen, sagen, dass die Linke im nordrhein-westfälischen Landtag gleichsam wie ein Schiff auf dem Wasser fährt. Und er könnte hinzufügen, dass dieses Schiff droht, von Piraten angegriffen und zum Kentern gebracht zu werden. Und er könnte seine Genossen auffordern, deshalb die Anstrengungen im Wahlkampf zu verstärken.

Von alledem sagt Gysi in seinem 55-minütigen Vortrag allerdings nichts. Er spricht ein bisschen über NRW, aber viel über Afghanistan, Libyen, Syrien, die Schuldenkrise im allgemeinen, den Fiskalpakt im besonderen, er redet über Griechenland, den Mindestlohn, das Betreuungsgeld und die Steuern. Zum Schluss sagt Gysi doch noch etwas zu den Piraten: "Die Form von denen gefällt mir, die reden die Sprache einer neuen Generation." Aber Inhalte habe er noch keine vernommen.

Gewählt worden ist die neue Partei in Berlin, im Saarland und in Schleswig-Holstein trotz der angeblich nicht vorhandenen Inhalte. Auch bisherige Linken-Wähler haben sich für die Piraten entschieden. Eine Gefahr sicher auch für die Linken in NRW, die in Umfragen bei drei bis vier Prozent liegen. Trotzdem sagt Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen: "Wir machen keinen Wahlkampf gegen die Piraten, sondern mit unseren Inhalten."

Vor der Mensa der Kölner Fachhochschule soll es genau darum gehen, um linke Inhalte. Doch die meisten der Studenten gehen weiter, viele der Infoblätter landen in den Mülleimern. Die Kölner Landtagskandidatin Carolin Butterwegge versucht unentwegt, junge Leute zum Infostand zu lotsen. Dort können sie einer Millionärssteuer zustimmen oder nicht. Bei Anna Krause und Timm Opitz hat Butterwegge Erfolg.

Die beiden studieren im zweiten Semester Soziale Arbeit und ziehen ihren Strich in der Ja-Spalte. Ob sie die Linke auch auf ihrem Wahlzettel ankreuzen? Das wissen sie noch nicht. Aber ihnen gefallen die Aussagen. "Wenn wir die Staatseinnahmen erhöhen wollen, dann geht das nur so", sagt Timm über die Millionärssteuer, bei der alle Einkünfte über einer Million Euro mit einer fünfprozentigen Steuer belegt werden sollen. Anna findet das Engagement der Linken für mehr Betreuungsplätze auch für kleine Kinder in Kindertagesstätten gut. "Viele Frauen müssen einfach arbeiten, da sind Kita-Plätze absolut notwendig", sagt sie.

Auch für mehr sozialen Wohnungsbau und ein Sozialticket von 15 Euro setzen sich die Linken ein - all das steht auf ihren Plakaten. Den Kopf ihrer Spitzenkandidatin zeigen sie nicht. "Die Linke wird ja nicht gewählt, weil ich ein hübsches Gesicht habe", sagte Schwabedissen jüngst dem Bielefelder "Westfalen-Blatt". Beim Wahlkampf vor der Kölner Fachhochschule hält sie sich zurück. Sie verteilt ein paar Flugblätter, spricht mit dem einen oder anderen Studenten. Erst als das Fernsehen sie interviewt, fällt sie auf. Im Linken-Landesverband ist die 39-Jährige aus Witten hingegen eine große Nummer.

Seit 2008 Landesvorsitzende hätte sie auch 2010 schon Ansprüche auf die Spitzenkandidatur anmelden können. Doch da sah sie ihre Rolle noch eher als Parteichefin denn als jene, die im Landtag nach Kompromissen sucht. Bärbel Beuermann stand seinerzeit auf Platz eins, eine Mittfünfzigerin und politische Newcomerin, wenig sattelfest etwa bei Wirtschaftsthemen. "Jetzt kommen wir viel frischer daher", sagt Hilmar Schulz, der Direktkandidat in Wesel, "die Katharina schafft es, innerhalb von fünf Sätzen unsere Position auf den Punkt zu bringen." Wie - das zeigt sie beim Kandidatencheck von EinsLive beim WDR in Köln.

"Wir müssen für Städte und Gemeinden mehr Geld in die Hand nehmen", erklärt sie. Notwendig sei eine Umschuldung. Wie beim Rettungspaket für die Banken müsse es auch für Kommunen so etwas geben wie eine "Bad Bank". Denn ohne ausreichendes Geld sei das "demokratische Recht der Selbstverwaltung in Gefahr". Und über eine Millionärssteuer könnten allein in NRW 18 Milliarden Euro in die Kassen gespült werden. Fünf Sätze - die Position ist klar. Dass über diese Steuer im Land gar nicht entschieden werden kann, das lässt Schwabedissen unerwähnt.

Und die Wähler? Bianca Flores zum Beispiel. Die 23-Jährige wartet vor der Bühne in Wesel auf Gregor Gysi, "weil er immer so einen sympathischen Eindruck macht", doch wählen würde sie die Linke nicht. "Die reden den Bürgern doch nach dem Mund und wissen gar nicht, wie all das finanziert werden soll, was sie fordern", sagt sie. Anders sieht das Johann Piotrowski, ein 54-jähriger Dreher. Er habe meist CDU gewählt, aber diesmal sei die Linke eine Alternative. "Ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit schadet niemandem", sagt er. Landespolitik interessiere ihn nicht so sehr. Daher entscheide er mehr nach bundespolitischen Themen. Sollten noch mehr Wähler ähnlich denken, dann könnte sich das Schiff der Linken vielleicht doch noch über Wasser halten.

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