Polarisierung in der katholischen Kirche Karl-Heinz Menke: "Es gibt Veränderungsbedarf"

Bonn · Der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke zur Polarisierung in der katholischen Kirche und zu möglichen Reformen.

 Gläubige auf dem Petersplatz in Rom: Die katholische Kirche steht vor einer Zerreißprobe, sagt Karl-Heinz Menke.

Gläubige auf dem Petersplatz in Rom: Die katholische Kirche steht vor einer Zerreißprobe, sagt Karl-Heinz Menke.

Foto: dpa

Die Internationale Theologenkommission ist eines der wichtigsten päpstlichen Beratergremien. Papst Franziskus und der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, haben die Kommission nach fünf Jahren neu besetzt. Die erste Sitzung ist Ende November. Mit dabei: der Bonner Dogmatiker Professor Karl-Heinz Menke.

Im Vatikan soll ein Machtkampf im Gange sein, es drohe sogar eine Kirchenspaltung hieß es zuletzt...
Karl-Heinz Menke: Das ist sicher übertrieben. Aber man muss zugeben, dass die Kirche polarisiert ist. Das trifft auch auf die deutsche zu. Es gibt eine Spannung zwischen jenen, die sich der Moderne anpassen wollen und jenen, die eher konservative Tendenzen vertreten. Das geht bis in die Bischofskonferenz. Diese Zerreißprobe ist bis in den Vatikan vorgedrungen.

Im Fokus steht die Frage nach der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu Kommunion und anderen Sakramenten.
Menke: Das ist ein Symbolthema, an dem man sich sowohl von Rechts als auch von Links abarbeitet, weil man konkret sagen kann, was man zu einem Thema meint, obwohl es sicher nicht das wichtigste ist.

Warum nicht?
Menke: Ich habe den Eindruck, dass es in den Gemeinden nur wenige wiederverheiratete Geschiedene gibt, die mit der Kirche leben wollen. Und jene, die das wollen, haben für sich einen Weg gefunden. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Pfarrer jemanden an der Kommunionbank abweist.

Wo ist noch Konfliktpotenzial?
Menke: Etwa bei der Frage des Weiheamtes. Wir haben in manchen Diözesen genauso viele Pfarrer wie Laien in kirchlichen Diensten.

Also als Gemeinde- oder Pastoralreferenten.
Menke: Selbst wenn einer von ihnen den gleichen oder einen besseren Studienabschluss hat und den Pfarrer intellektuell in den Schatten stellen würde, kirchenrechtlich hat er nichts zu sagen. Er darf nicht predigen, weil das nur der durch Handauflegen Gesandte darf, also der Priester.

Gibt es Veränderungsbedarf?
Menke: Ja. Das muss kirchenrechtlich geregelt werden. Es geht nicht, dass der Laie de facto die Gemeinde leitet, rechtlich aber einem normalen Kirchenmitglied gleichgestellt ist. Ich nenne Ihnen ein anderes Thema: Wir tun immer noch so, als seien wir Volkskirche. Bei der Firmung nimmt der Bischof zum Beispiel das Versprechen der Jugendlichen entgegen, Vorbild im Glauben zu sein. Doch bestimmt 90 Prozent von ihnen sind gar nicht gewillt, dieses Versprechen zu halten, denn sie halten sich nicht an das Gebot, sonntags zur Kirche zu gehen. Die offizielle Doktrin und die Wirklichkeit klaffen da weit auseinander.

Sind das auch Themen für die Theologenkommission?
Menke: Ich hoffe. Wir müssen grundsätzlich klären, wie es um das steht, was die Kirche als Ideal beschreibt und dem, was die Basis tatsächlich lebt. Von der Sexualmoral ganz zu schweigen. Auf die Dauer geht es nicht, dass man offiziell etwas lehrt, was von der Basis zu 90 und mehr Prozent ignoriert wird.

Welche Haltung vertreten Sie?
Menke: Es gibt kein Entweder-Oder. Sich zu sehr an den Zeitgeist anzupassen, ist genauso falsch wie einen Ghetto-Katholizismus anzustreben, in dem sich die Verbleibenden als Elite des Glaubens verstehen. Wichtig wäre ein gesunder Mittelweg.

Und wie könnte der aussehen?
Menke: Die Kirche muss darüber nachdenken, wie viel sichtbare Übereinstimmung mit dem Ideal sie vom einzelnen Gläubigen verlangt, um ihm eine volle oder eventuell auch gestufte Zugehörigkeit zu attestieren. Wer sich nicht vollständig oder noch nicht vollständig mit dem Bekenntnis des Ortsbischofs und des Papstes identifizieren kann, ist genauso zu achten. Wer sich unterscheidet, darf sich nicht abgrenzen. Jede weitere Hierarchisierung wäre fatal.

Wird in der Kommission auch über den Zölibat gesprochen werden?
Menke: Wenn der Papst das Thema auf die Tagesordnung setzt.

Die Kommission wird geleitet von Kardinal Müller. Er gilt als Polarisierer, der einen konservativen Kurs in der Kirche befürwortet, auch als Gegenspieler des Papstes. Sie kennen ihn schon lange.
Menke: Seit 1986. Wir haben gemeinsam in Freiburg habilitiert, wohnten Wand an Wand. Er ist sehr humorvoll, liebenswürdig im Umgang. Wenn er aber von etwas überzeugt ist, kann er gegen jene, die ihm nicht argumentativ, sondern mit einer Gegenthese begegnen, ziemlich hart erscheinen. Er will dann Rückgrat beweisen. Aber: Er denkt sehr differenziert und ist alles andere als praxisfern.

Wie ist denn das Verhältnis zwischen ihm und dem Papst?
Menke: Das weiß ich nicht. Ich wage auch nicht, ihn danach zu fragen. Tatsache aber ist, dass nicht Benedikt XVI., sondern Franziskus ihn zum Kardinal ernannt hat. Wenn der Papst etwas gegen ihn gehabt hätte, hätte er ihn in ein weniger wichtiges Amt versetzen können. Das Gerede, dass beide nicht miteinander können, ist Spekulation.

Zur Person

Karl-Heinz Menke, 64, lehrt seit 1990 Dogmatik und Theologische Propädeutik an der Bonner Uni. Menke stammt aus der Nähe von Osnabrück, hat in Münster und Rom studiert, wurde 1974 Priester, war in der Seelsorge und auch als Sekretär des Osnabrücker Bischofs tätig.

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