Kanzlerin inspiziert Urlauberregionen Kapitän Merkel auf Wahlfang

HERINGSDORF/USEDOM · Angela Merkel kommt. Und im Nachbarseebad Bansin lässt die SPD schon die Kavallerie ausreiten. Allerdings ist der Zweispänner mit den roten SPD-Luftballons nur die Vorhut. Ab morgen geht SPD-Vize Manuela Schwesig für drei Tage auf Sommertour durch das "Land der Chancen", wie die Sozialministerin ihr Mecklenburg-Vorpommern nennt. Doch vorher schlägt die Bundeskanzlerin im Nordosten der Republik auf. Es ist auch ihr Land. Seit 20 Jahren ist der Wahlkreis Vorpommern-Rügen/Vorpommern-Greifswald gewissermaßen die Basis von Angela Merkel. Seit 1990 hat sie dort immer das Direktmandat geholt, zuletzt 2009 mit ihrem Bestergebnis von 49,3 Prozent.

Nach einer Nordsee-Tour Ende vergangener Woche inspiziert die CDU-Vorsitzende kurz vor ihrer eigenen Sommerauszeit in Südtirol nun auch noch eine zweite deutsche Urlauberregion: die Ostseeküste. 62 Tage vor der Bundestagswahl geht Merkel auf ganz besonderen Wahlfang. Binnen fünf Stunden sucht Merkel in Zingst, auf Usedom und auf Rügen den Kontakt mit urlaubenden Wählerinnen und Wählern. Die Menschen sind entspannt, haben Zeit und versammeln sich zeitig vor Merkels Ankunft an der Strandmuschel im Seebad Heringsdorf. Mal sehen, was die Kanzlerin zu sagen hat.

Die Spähattacken des US-Geheimdienstes NSA und was die Bundesregierung davon alles (nicht) wusste, sind für Merkel bei Bestwetter und Räucherfisch für die Urlauber gefühlt gerade mehr als die knapp 300 Kilometer nach Berlin entfernt. Hier an der Ostsee regiert entspannte Urlaubslage in Merkels Wahlkreis. Es ist ein Heimspiel für die CDU-Chefin. Und Heimspiele tun gut in diesen Tagen.

5000 Urlauber haben sich, wie die Kanzlerin in Heringsdorf sagen wird, eine "kleine Strandauszeit" genommen. Clemens Wehrle, evangelischer Pastor aus Kaiserslautern, zum Beispiel. Er erhofft sich von Merkels Auftritt "inspirierende Momente" oder das Gefühl: "Bei Frau Merkel sind wir gut aufgehoben." Dann kommt Merkel. Die "Ohrwurm"-Partyband von der Insel Usedom singt noch "Unser Kapitän kennt sieben Meere" und "Komm', hol' das Lasso raus, wir spielen Cowboy und Indianer", da schwebt der Hubschrauber mit Merkel an Bord ein. Die Bundeskanzlerin betritt die Arena. Siegfried und Ingrid Feuerhak aus Neumünster bekennen freimütig: "Wir sind Fans von ihr." Bianka Mehling aus Bansin auf Usedom sagt: "Ich finde, sie hat das bisher toll gemacht."

Dann nimmt Kapitän Merkel die Ostsee-Urlauber in 35 Minuten mit auf eine kleine Deutschland-, Europa- und Weltreise. Die Etappen sind nicht überraschend: Die Arbeitslosigkeit in ihrer Amtszeit von fünf auf drei Millionen gesenkt. Dabei lobt die CDU-Chefin auch die Agenda 2010 ihres Vorgängers Gerhard Schröder, ohne diesen beim Namen zu nennen, weil die SPD - kleine Spitze gegen die Konkurrenz - sich dies "ja nicht mehr traut". Merkel weiß aber auch, dass sie hier an der Ostsee in einer Niedriglohn-Region ist. Sie fragt rhetorisch: "Soll die Politik festlegen, wie hoch der Mindestlohn ist?" Doch von Teilen des Publikums kommt die Antwort: "Ja." Die CDU-Chefin verteidigt den tariflichen Mindestlohn. Sie verweist auf höchste Steuereinnahmen und die höchste Beschäftigungszahl Deutschlands in ihrer Amtszeit. Sie sagt "starkes Deutschland, starkes Europa", man kennt das.

Die NSA-Spähaffäre streift sie auch noch. Große weite Datenwelt. Glasfaserkabel auf dem Boden des Atlantiks. Facebook, Google, Intel - "alles amerikanisch". Merkel sagt: "Wenn die Cloud nicht über Deutschland ist, kann Deutschland die Bedingungen nicht bestimmen." Die Cloud, die in einer virtuellen Wolke geparkte Datenmenge, ist an diesem Tag konkurrenzlos. Kein Wölkchen am Himmel, 27 Grad, Sonnenschein im einstigen Kaiserbad Heringsdorf. Dann ist Merkel beim 22. September. Eingangs hat sie gesagt: "Eigentlich ist das Ihr Tag - der Tag der Bürgerinnen und Bürger." Die Angesprochenen sollen noch einmal in sich gehen und fragen: "Wer kann die Probleme lösen?" Dann geht sie zum Hubschrauber. Sie muss noch nach Rügen in ihren Wahlkreis. Gleich wird es stauben. Aber das hat sie den Urlaubern vorher gesagt.

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