NSU-Terror Joachim Gauck empfängt Hinterbliebene

BERLIN · Am Montag empfängt Bundespräsident Joachim Gauck Hinterbliebene der NSU-Mordopfer. Doch nicht alle wollen kommen.

 Ein Plakat erinnert am Rande der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes im November 2012 an die Mordopfer des NSU.

Ein Plakat erinnert am Rande der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes im November 2012 an die Mordopfer des NSU.

Foto: dpa

Aysen Tasköprü kommt nicht. Sie hat es Joachim Gauck geschrieben. Und sie hat dem deutschen Staatsoberhaupt eine ziemlich direkte Frage gestellt: "Was wollen Sie an unserem Leid ändern? Glauben Sie, es hilft mir, wenn Sie betroffen sind?"

Was Gauck über Tasköprüs Fragen denkt, ist nicht bekannt. Doch wenn der Bundespräsident heute Mittag in Schloss Bellevue Hinterbliebene der Mordopfer der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" trifft, wird Tasköprü nicht dabei sein, obwohl sie eingeladen ist. Die Schwester des in Hamburg ermordeten Süleymann Tasköprü fühlt sich dem Treffen, zu dem Gauck etwa 70 Hinterbliebene der NSU-Mordopfer hat einladen lassen, "nicht gewachsen". Jedenfalls nicht allein. Wie einige andere Angehörige auch habe die 38 Jahre alte Türkin ihre Anwältin mit ins Schloss Bellevue mitnehmen wollen. Doch das Bundespräsidialamt lehnte ab.

Das auf etwa zwei Stunden angesetzte Treffen, an dem auch die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Morde, Barbara John, teilnimmt, ist vertraulich. Nur zu Begrüßung sind Film- und Fotoaufnahmen zugelassen. Gauck will zuhören, etwas über die Wünsche und Anregungen der Hinterbliebenen erfahren. Man habe den Kreis der Teilnehmer überschaubar halten wollen, damit der Bundespräsident mit möglichst vielen Familienangehörigen ins Gespräch kommen könne, heißt es im Bundespräsidialamt. Deshalb: keine Namen von Anwälten mit auf der Gästeliste.

[kein Linktext vorhanden]Doch Tasköprü ist enttäuscht. "Sie möchten nur ihre Empathie ausdrücken, aber keine Anwälte auf diesem Treffen sehen. Es wäre empathisch von Ihnen gewesen, nicht darauf zu bestehen, dass ich alleine ins Präsidialamt komme", schreibt die Türkin in ihrem von mehreren Medien veröffentlichten Brief an Gauck. Sie fühle sich von dieser Situation alleine überfordert und werde deshalb die Einladung nicht annehmen.

Wie wichtig Gauck, dem früheren DDR-Bürgerrechtler, die Aufarbeitung der nie für möglich gehaltenen NSU-Mord- und Verbrechenserie ist, hatte der Bundespräsident bereits vor kurzem erkennen lassen. Ende Januar empfing er die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, die Licht ins Dunkel und Halbdunkel der auch durch unfassbare Pannen des Verfassungsschutzes ermöglichten Mordserie bringen wollen. Zwischen 2000 und 2007 haben die Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt demnach acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinhändler sowie eine deutsche Polizistin umgebracht.

Die Blutspur zieht sich durch das gesamte Bundesgebiet. Mundlos und Böhnhardt sollen 2011 nach einem Banküberfall ihr Wohnmobil angezündet und sich dann selbst erschossen haben. Merkwürdig, dass zahlreiche Anwohner keine Schüsse gehört haben wollen. Ihre Komplizin Beate Zschäpe steckte derweil das gemeinsam bewohnte Haus in Zwickau in Brand, was Ermittler als Aktion zur Vernichtung von Beweisen werteten. Gegen Zschäpe, die sich nur Tage nach dem mutmaßlichen oder vermeintlichen Selbstmord ihrer Gesinnungsgenossen Mundlos und Böhnhardt der Polizei stellte, hat die Bundesanwaltschaft inzwischen Anklage erhoben - unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Gauck betonte bei dem kürzlichen Treffen mit den Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschusses, die Morde und Sprengstoffanschläge, die der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle zur Last gelegt werden, müssten vollständig aufgeklärt werden. Im April oder Mai hat Aysen Tasköprü übrigens eine neue Chance: Dann will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Hinterbliebenen der NSU-Mordopfer treffen.

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