Wirtschaftssanktionen Jetzt wird es schmerzhaft für Moskau

MOSKAU · Minister, Staatsagenturen und Politologen beschwichtigen, schimpfen, drohen oder spotten, nachdem die EU am Mittwoch offiziell den Export von Erdölförderungstechnik an Russland gestoppt hat, ebenso von militärisch oder militärisch nutzbarer Hochtechnologie.

 Die EU hat den russischen Staatsbanken den Zugang zu ihren Finanzmärkten dichtgemacht.

Die EU hat den russischen Staatsbanken den Zugang zu ihren Finanzmärkten dichtgemacht.

Foto: ap

Und nachdem Europa und die USA quasi im Gleichschritt den Zugang für mehrere russische Staatsbanken zu ihren Finanzmärkten dichtgemacht haben. Das offizielle Moskau reagierte trotzig: "Es ist sinnlos, mit Russland in der Sprache der Sanktionen zu reden", sagte der stellvertretende Außenminister Grigori Karassin. "Die Sanktionen helfen uns, uns zu sammeln, im Ergebnis wird Russland eine effektivere Wirtschaft und eine gesundere, von ihren Illusionen befreite Gesellschaft."

Auch viele Experten geben sich jetzt patriotisch: "Die westliche Welt versucht, die russische Wirtschaft systematisch zu vernichten", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Nikita Kritschewski. Aber schon ein kleiner Hinweis darauf, dass Moskau im Herbst die Lieferung von Erdgas stoppen könnte, werde das hitzige Europa abkühlen. "Russland wird als Antwort neue politische Bündnisse wie etwa die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schaffen", erklärte der kremlnahe Politologe Alexei Muchin unserer Zeitung. Und es werde wirtschaftlich seine Kundenbasis im Fernen Osten und Lateinamerika erweitern. Es spiele keine Rolle mehr, dass US-Präsident Barack Obama versichere, er wolle weiter mit Putin im Gespräch bleiben. "Warum auf jemanden hören, der seine eigenen Aggressionen gegen Russland auslebt?"

Die russische Bevölkerung kümmert all das wenig. "Nach einer Umfrage des Lewada-Meinungsforschungszentrums vom 21. Juli interessieren die Sanktionen 61 Prozent der Russen nicht. Viele Fachleute aber fürchten empfindliche Schäden für die vaterländische Wirtschaft. Die westliche Spitzentechnik sei weder durch chinesische noch durch indische zu ersetzen, warnt der Technologieexperte Ruslan Puchow. Russische Analytiker rechnen mit fünf bis zehn Prozent weniger gefördertem Öl jährlich, außerdem mit umgerechnet knapp 21 Milliarden Euro finanzieller Verluste 2014 und über 73 Milliarden Euro 2015, 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im kommenden Jahr. "Die Rezession, in die wir schon so hineinrutschen, wird nur noch verstärkt", schreibt die Zeitung Nowije Iswestija. Und der liberale Blogger Ayder Muschdabajew spottet: "Die Sanktionen gegen Russlands Banken nutzen nur, wir können jetzt mehr vaterländisches Geld produzieren."

Währenddessen äußerten russische Diplomaten die Hoffnung der Staatsmacht, die Technologiesanktionen durch Gespräche auf höchster Ebene erheblich mildern zu können. Gleichzeitig erließ Russland am Mittwoch ein Einfuhrverbot für polnisches Brot und Gemüse. Und über der Arktis stiegen mehrere strategische Bomber der russischen Luftwaffe auf. Nach Ansicht vieler Beobachter ist der Kreml noch auf der Suche nach einer neuen Haltung gegenüber dem so unerwartet feindlich auftretenden Westen. Oder wie der Politologe Boris Meschujew sagt: "Die Wirkungen dieser Sanktionen sind unabsehbar."

Kämpfe bei Donezk

In der Ostukraine ist ein Ende der erbitterten Kämpfe nicht in Sicht. Im Raum Donezk seien innerhalb von 24 Stunden mindestens 19 Zivilisten getötet worden, 31 Menschen wurden verletzt, teilten die örtlichen Behörden am Mittwoch mit. Zudem seien bei der Explosion einer Mine zwei Menschen ums Leben gekommen. Mehrere Kinder mussten mit Verwundungen in eine Klinik gebracht werden. Armee und Aufständische gaben sich gegenseitig die Schuld an den Opfern.

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