Jahrestagung des Beamtenbundes: Neues Selbstbewusstsein

Wem die Wichtigen ihre Aufmerksamkeit schenken, der ist selbst wichtig. Auf diese Weise hat Besuchspolitik schon immer funktioniert, weshalb Beamtenschaft und öffentlicher Dienst gestern einen spürbaren Prestigeerfolg feiern konnten.

Die Tatsache, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Kölner Jahrestagung des Beamtenbundes/Tarifunion trotz Euro- und Präsidenten-Krise mit ihrer persönlichen Anwesenheit plus Redebeitrag adelte, zeugt von der wieder erstarkten Rolle der Staatsdiener. In diesen volatilen Zeiten, in denen sich die Krisen wie an einer Perlenkette aneinanderreihen, erscheint das deutsche Berufsbeamtentum als Stabilitätsanker. Vom Privatisierungsmantra der 90er Jahre jedenfalls ist kaum noch etwas zu hören. An das Motto "Privat vor Staat" möchten die einstigen Verfechter nicht mehr gern erinnert werden.

Die Renaissance des Staatsdienstes birgt Gefahren. Vor allem der Druck von außen hat viele Ämter und Behörden zu den organisatorischen Reformen veranlasst, die sie heute als Dienststellen im Wortsinn erscheinen lassen, als Stellen im Dienst der Bürger. Dass dieser Gedanke längst noch nicht in allen Amtsstuben angekommen ist, gestehen selbst Verbandsvertreter ein.

Nicht zu Ende geführt ist zudem die Diskussion, welche Aufgaben der Staat eigentlich wahrzunehmen hat, und mit welchen er sich übernimmt. Müssen - nur als Beispiel - Lehrer wirklich Beamte sein? Sollte der Staat in großem Stil unternehmerisch tätig sein? Mit VW geht für das Land Niedersachsen zurzeit die Rechnung auf. Der NRW-Steuerzahler muss das WestLB-Desaster noch lange teuer bezahlen.

Dass die Millionenschaar der Beamten und öffentlich Bediensteten über Arbeitsverdichtung klagt und ein Ende der pauschalen Stellenkürzungen fordert, ist verständlich. Auf der anderen Seite haben die Verwaltungen die Möglichkeiten von elektronischer Datenverarbeitung und Vernetzung im Gegensatz zu den Unternehmen bislang oft nur in Ansätzen begriffen und umgesetzt.

Gerade im Bereich des "E-Government" liegt viel ungenutztes Potenzial, das (unkündbare) Mitarbeiter freisetzen kann für Tätigkeiten, die nicht von Maschinen zu erledigen ist. Und schließlich sorgen sich die Beamten ja selbst um die demografische Entwicklung. Davon, dass der prognostizierte Bevölkerungsrückgang zwangsläufig die mindestens proportionale Anpassung der Verwaltung nach sich ziehen muss, war in Köln jedoch nicht die Rede.

Neu gewonnenes Gewicht und frisches Selbstbewusstsein sollten die Staatsdiener nicht dazu verführen, zu alter Bewegungsschwäche zurückzukehren. Unser gut funktionierender öffentlicher Dienst ist eine große Stärke Deutschlands. Aber nur so lange, wie er bereit ist, sich den ständig neuen Anforderungen entsprechend weiter zu entwickeln.

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