Untersuchungsausschuss zu Anis Amri Jäger: Warnung reichte nicht aus

Düsseldorf · Der NRW-Innenminister Ralf Jäger bleibt im Untersuchungsausschuss zum Fall Amri bei seiner Verteidigungslinie. Er bekräftigte erneut eine Aussage, welcher Bundesinnenminister de Maizière am Vortrag noch widersprochen hatte.

Hat das NRW-Innenministerium handfeste frühe Hinweise des eigenen Landeskriminalamtes (LKA) auf die Gefährlichkeit des Berliner Attentäters Anis Amri ignoriert? Um diesen dramatischen Verdacht drehte sich am Mittwoch die zehnte Sitzung des Untersuchungsausschusses im Landtag.

Im März 2016 hatten die LKA-Ermittler in einem achtseitigen vertraulichen Vermerk an das Innenministerium einen Anschlag Amris vorhergesagt. Neun Monate vor dem Weihnachtsmarkt-Attentat mit zwölf Toten beschrieb die Düsseldorfer Behörde präzise, welches Gefahrenpotenzial in dem 24-jährigen Tunesier steckte. Das LKA regte in alarmierendem Tonfall eine Abschiebeanordnung an, das schärfste Schwert des Rechtsstaats gegen islamistische Gefährder.

Doch im Innenministerium passierte nichts. Die Sicherheitskonferenz NRW (Siko), in der Polizei, Verfassungsschutz und Ausländerbehörden zusammensitzen, folgte der LKA-Empfehlung nicht. „Die hohen Anforderungen waren nicht erfüllt“, sagte dazu Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch im Zeugenstand. Der LKA-Vermerk habe gar „keine neuen Erkenntnisse“ beinhaltet.

Selbst eine normale Abschiebehaft für ausreisepflichtige Asylbewerber sei bei Amri nicht möglich gewesen, betonte Jäger erneut. Eine gesetzliche Frist zur Beschaffung von Passersatzpapieren aus Tunesien innerhalb von drei Monaten sei das entscheidende Hafthindernis gewesen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Vortag in diesem Punkt klar widersprochen.

Der Abteilungsleiter im NRW-Innenministerium für Ausländerangelegenheiten, Burkhard Schnieder, räumte in seiner mehrstündigen Vernehmung ein, dass er es war, der entschieden hatte, keine Abschiebeanordnung zu verhängen. Er hielt die Erkenntnisse des LKA für nicht tragfähig genug, um vor Gericht bestehen zu können. Ihm schien die Gefahr Amris in dem Vermerk offenbar dramatisiert.

Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier bemühte sich ebenfalls, die dringende LKA-Warnung vor Amri zu einer „Tischvorlage für eine interne Diskussion“ herabzustufen. Es sei einfach mal alles über den Tunesier zusammengeschrieben worden. „Eine Art Personagramm“, ohne Rücksicht auf Gerichtsverwertbarkeit. Es sei schwierig gewesen, Amri wegen dessen unsteten Lebenswandels als einen Gefährder unter etwa einem Dutzend anderer Islamisten seiner Güteklasse in NRW richtig zu bewerten. „Er hat strafrechtlich immer nur geredet, aber nicht gehandelt.“

Die Schwelle von der Gesinnung zur Tat sei nicht zu erkennen gewesen, so Freier. Man könne nicht einfach einen Antrag auf Haft probehalber stellen: „Ich will keine Probierbehörde, die irgendwann einen Richter findet, der die Nase voll hat. Das ist kein Rechtsstaat mehr.“

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