Diskussion um Finanzierung Ist die Kirchensteuer noch zeitgemäß?

Bonn · Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke äußert Zweifel an der Finanzierung der Kirchen. Das Erzbistum und die Bischofskonferenz schweigen zu dem Thema. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Infos zur Kirchensteuer.

 Reinhard Marx (links), Vorsitzender der Bischofskonferenz, und Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender.

Reinhard Marx (links), Vorsitzender der Bischofskonferenz, und Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender.

Foto: picture alliance / dpa

Der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, hat die Zukunft der Kirchensteuer in Deutschland sowie staatliche Finanzzuweisungen an die Kirchen infrage gestellt. „Wir müssen uns fragen: Trägt diese Form der Kirchenfinanzierung auf Dauer, oder können wir nicht andere Wege gehen?“, sagte Hanke am Wochenende der „Augsburger Allgemeinen“. Dazu Fragen und Antworten.

Was hat Hanke konkret bemängelt?

Dem Eichstätter Bischof fehlt eine Diskussion darüber, wie sich die Kirche finanziert, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsleben ausscheiden, also auch keine Lohn- und Einkommensteuer mehr zahlen. Spätestens in zehn Jahren würden die Kirchensteuereinnahmen einbrechen, sagt Hanke. Er spricht damit aus, was eigentlich alle wissen.

Wie funktioniert das System der Kirchensteuer eigentlich?

Kirchenmitglieder zahlen einen Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer. In Bayern und Baden-Württemberg jeweils acht Prozent, in den übrigen 14 Bundesländern neun Prozent. Die Kirchensteuer ist quasi ein Beitrag der Mitglieder zur Finanzierung der jeweiligen Kirchen in Deutschland. Sie wird direkt über das jeweilige Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben. Damit die staatlichen Finanzämter die Steuer einziehen, zahlen die Kirchen zwischen zwei und vier Prozent des Steueraufkommens an Gebühren an den Staat.

Wer erhält die Einnahmen aus der Kirchensteuer?

Nicht nur die katholischen Bistümer und die evangelischen Landeskirchen, sondern laut Grundgesetz sämtliche Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, wenn sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind. Dazu zählen nach einer Aufstellung der Deutschen Bischofskonferenz die jüdischen Gemeinden und Religionsgemeinschaften, das katholische Bistum der Alt-Katholiken, einige Freireligiöse Gemeinden und die Unitarische Religionsgemeinschaft Freie Protestanten. Die Einnahmen aus der Kirchensteuer stehen jenem Bistum zu, in dem der Kirchensteuerzahler seinen Wohnsitz hat.

Die Deutsche Bischofskonferenz hält das Kirchensteuer-System für gerecht. Warum?

„Die Anbindung an das deutsche Einkommensteuerrecht sorgt dafür, dass jeder nur so viel bezahlt, wie es seiner finanziellen Leistungsfähigkeit entspricht“, heißt es auf der Internet-Seite. Zudem bewahre die Kirche dadurch ihre Unabhängigkeit. Das habe damit zu tun, dass grundsätzlich keine wirtschaftlich mächtigen Geldgeber maßgeblichen Einfluss auf kirchliche Entscheidungen nehmen könnten.

Wie sieht das die evangelische Kirche?

Ähnlich. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm, sagt zwar: „Die Ausstrahlungskraft der Kirche hängt nie an einem bestimmen Finanzierungssystem.“ Doch in der Augsburger Allgemeinen fügte er hinzu, niemand solle unterschätzen, „wie viele segensreiche Aktivitäten für Kirche und Gemeinwesen insgesamt durch die Kirchensteuer möglich sind“. Die Evangelische Kirche im Rheinland weist darauf hin, dass das aktuelle System „zu einer recht guten Planbarkeit mit Blick auf die Einnahmen, die zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben in Verkündigung, Seelsorge und Diakonie nötig sind“ führe, wie Pressesprecher Jens Peter Iven sagt. „Insofern hat sich das System bewährt.“

Und wie steht die Bischofskonferenz zu dem Vorstoß des Eichstätter Oberhirten?

Sie schweigt. „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns nicht dazu äußern“, teilte eine Sprecherin am Montag schriftlich mit.

Was sagt das Erzbistum Köln?

Ebenfalls nichts. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass das Erzbistum Köln keine Stellungnahme zu dem Thema abgibt“, hieß es aus der Domstadt. Ein wenig gesprächiger ist das Bistum Trier, zu dem auch die Pfarreien im Kreis Ahrweiler gehören. Man sei „grundsätzlich offen für Diskussionen“, sagte eine Sprecherin.

Warum das Schweigen in Bonn und Köln?

Darüber lässt sich nur spekulieren. Doch klar ist: Würde die Kirchensteuer abgeschafft, hätten die Religionsgemeinschaften auf einen Schlag herbe Verluste zu verzeichnen. Sie könnten große Teile dessen, was in Jahrzehnten geschaffen wurde, so nicht mehr aufrecht erhalten. Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, die Caritas, Bildungshäuser, nicht zuletzt die Kirchen – all das müsste auf den Prüfstand. Davor haben viele in der Kirche Angst.

Wie hoch sind die Einnahmen aus der Kirchensteuer?

Im Jahr 2017 erhielten die katholische Kirche 6,427 Milliarden Euro, die evangelische Kirche 5,627 Milliarden.

Wie läuft die Finanzierung der Kirchen eigentlich in jenen Ländern, die nicht ein solches System haben wie in Deutwchland?

Ähnliche Systeme wie in Deutschland gibt es nach Angaben der in Bonn ansässigen katholischen Bischofskonferenz nur noch in Österreich, in Teilen der Schweiz und mit Abstrichen in Skandinavien. Steuerliche Lösungen gäbe es auch in Italien, Spanien oder Ungarn. Diese seien jedoch fundamental anders als in Deutschland. Darüber hinaus gäbe es Spenden- und Kollektensysteme in Ländern wie den USA, Frankreich, Portugal, Irland und den Niederlanden gibt. Doch keines der anderen in Europa eingeführten Systeme sei „in der Lage, den Dienst der Kirche auf dem in Deutschland gewohnten und weiterhin nachgefragten Niveau zu garantieren“, schreibt die Bischofskonferenz.

Gibt es alternative Möglichkeiten der Finanzierung?

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller spricht sich im „Kölner Stadt-Anzeiger“ für ein professionelles Spendenmanagement oder höhere Gebühren für kirchliche Dienstleistungen aus. Zusätzlich müsse es überall einen deutlichen Personal- und Gebäudeabbau geben.

Gibt es schon Stellungnahmen aus der Politik?

Die Vereinigung „Säkulare Sozialdemokraten“ begrüßten Hankes Überlegungen als mutigen Schritt der Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel.

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