Endspurt im Ring-Verkauf Interessengruppen machen sich gegenseitig Vorwürfe

NÜRBURG/KOBLENZ · Wer an diesem Montagmorgen zum Nürburgring fährt, muss erst einmal durch die trübe Nebelsuppe. Nicht mal 100 Meter beträgt die Sichtweite. Ein Zeichen für die momentane Situation rund um die legendäre Eifel-Rennstrecke?

Nebel am Montagmorgen am Ring: Auch die Zukunft der Rennstrecke ist noch unklar.

Nebel am Montagmorgen am Ring: Auch die Zukunft der Rennstrecke ist noch unklar.

Foto: dpa

Denn der Verkaufsprozess läuft auf vollen Touren, doch die Öffentlichkeit bekommt davon kaum etwas mit. Während die Ring-Sanierer sagen, das müsse so sein, um europarechtliche Vorgaben zu erfüllen, haben viele Menschen in der Region die Sorge, dass ihnen ein Käufer vor die Nase gesetzt wird, der sein eigenes Ding macht und die Menschen, die jahrzehntelang mit und von dem Ring gelebt haben, außen vor lässt.

Nürburgs Ortsbürgermeister Reinhold Schüssler zum Beispiel fürchtet, dass der Nürburgring "in einer Nacht-und-Nebel-Aktion" verkauft wird, wie er bei einer Pressekonferenz des Vereins "Ja zum Nürburgring" in einem Hotel am Ring sagt. Zwei Plätze neben ihm sitzt Otto Flimm, der Vorsitzende des Vereins und ADAC-Ehrenvorsitzende.

Er gilt als Retter des Rings. Als nach dem Unfall von Niki Lauda 1976 die Nordschleife vor dem Aus stand und mühsam nach Lösungen gesucht wurde, wie der Eifelkurs doch noch eine Zukunft haben könnte, gelang es ihm, mit Bund, Land und der Region, eine neue, konkurrenzfähige Grand-Prix-Strecke zu planen, zu bauen und zu betreiben, auf der seit den 80er Jahren Rennen stattfinden.

Doch Flimm hat die Sorge, dass es der Sport immer schwerer haben wird, wenn Nordschleife und Grand-Prix-Strecke gemeinsam mit dem Freizeitpark verkauft werden. Er nennt das Beispiel des Autozulieferers Capricorn, der für den Ring geboten habe. "Der ist darauf angewiesen, mit den Rennstrecken Gewinn zu machen, damit er den Kauf des gesamten Komplexes finanzieren kann", sagt Flimm. Das führe dazu, dass die Veranstalter der Rennen immer mehr Geld bezahlen müssten. Dem Verein wäre es lieber, wenn die Rennstrecken isoliert vom Freizeitpark verkauft würden und gemeinwohlorientiert betrieben werden könnten. Ein solches Konzept hat der ADAC vorgelegt. Doch den Ring-Sanierern ist das Angebot zu niedrig.

Es würden ohnehin Angebote für den gesamten Komplex bevorzugt, ergänzt Vereinsanwalt Dieter Frey verärgert. "Offenbar ist der höchste Preis entscheidend." Bieter, die nur die Rennstrecke kaufen wollten, wie der Automobilclub, würden diskriminiert. Das hingegen sei mit der Vorgabe einer diskriminierungsfreien Ausschreibung nicht zu vereinbaren.

Die Konsequenz aus Sicht des Vereins: Eine Beschwerde an die EU-Kommission, mit der der Verkaufsprozess gestoppt werden soll. Gemeinsam mit der Landesregierung und der Region müsse angesichts der Mängel im Verfahren eine neue Lösung her, meint Frey in seinem Statement am Ring.

Eine gute Stunde später in der Koblenzer Kanzlei von Sachwalter Jens Lieser: Sowohl er als auch Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt zeigen sich äußerst ungehalten über das Vorgehen von "Ja zum Nürburgring" und sprechen davon, dass mögliche Käufer verunsichert würden. Außerdem sei gegen den Verkaufsprozess "im juristischen Sinne" gar keine Beschwerde möglich. Somit handle es sich lediglich um ein Memorandum. Mit dem wiederum sei es nicht möglich, den Verkaufsprozess zu stoppen.

Die Vorwürfe des Vereins weisen die Ring-Sanierer weit von sich. "Wir haben nie etwas anderes gesagt, als dass es auch möglich ist, die Rennstrecke isoliert zu verkaufen", meint Schmidt, "niemand wird bevorzugt oder benachteiligt."

Bis Mitte Februar wird der Verkaufsprozess voraussichtlich laufen, sagt Lieser, "danach können wir entscheiden, ob zuschlagsfähige Angebote dabei sind". Ein Verkaufsvertrag wird laut Schmidt erst wirksam, "wenn durch die Entscheidung der EU-Kommission ausgeschlossen werden kann, dass der oder die Erwerber für möglicherweise zu Unrecht geflossene Beihilfen haften müssen. Sonst würde niemand das Risiko eingehen, den Ring zu kaufen", so Schmidt.

Eigentlich hatten die Ring-Sanierer vor, bis Ende Dezember 2013 über ein solches Angebot zu verfügen. Doch die Bieter hätten die Komplexität des Gebildes unterschätzt. "Jetzt können alle ihre Angebote nachbessern", sagt Lieser. Auskunft über die Anzahl der Bieter geben die Sanierer immer noch nicht.

Das Interesse von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone am Ring ist seit voriger Woche bekannt. Sein alter Weggefährte Otto Flimm hat mit ihm auch schon telefoniert. Wird Ecclestone am Ende ja sogar zum Joker im Spiel? Flimm berichtet, dass ihm der Brite gesagt habe: "Wenn Du es schaffst, das Verfahren gegen mich in München zu beenden, dann schenke ich Dir den Ring." Das dürfte aber selbst für den früheren Ringretter Flimm ein hoffnungsloses Unterfangen werden. Voraussichtlich Ende April wird Ecclestone wegen Bestechungsvorwürfen in zweistelliger Millionenhöhe vor Gericht stehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Der Kaiser ist nackt
Kommentar zu Donald Trump Der Kaiser ist nackt
Zum Thema
Aus dem Ressort