Kommentar zur Wahl in Niedersachsen Hoffnung in Hannover

Meinung · Der Triumph vom Sonntag gehört Stephan Weil – weniger SPD-Chef Martin Schulz, der dem Wahlkampf weitgehend ferngeblieben war. Doch hat der Niedersachse dem gescheiterten Kanzlerkandidaten immerhin ein bisschen Luft verschafft, kommentiert GA-Redakteur Nils Rüdel.

Im Krisenjahr 2017 gibt es für die SPD noch einen Trostpreis: Der Sieg in Niedersachsen ist nach drei verlorenen Landtagswahlen und der historischen Niederlage im Bund ein Zeichen der Hoffnung. Die Sozialdemokraten können noch Wahlen gewinnen.

Wenn denn die Vorzeichen stimmen. Und die sahen im Norden eben anders aus als bei der Bundestagswahl. Es war ein spannendes Duell zwischen den Kandidaten der beiden großen Volksparteien, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und CDU-Herausforderer Bernd Althusmann. Weil hatte, anders als SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei der Bundestagswahl, immer Machtoptionen. Bei der Zuspitzung auf die beiden Großen wurden die kleineren Parteien FDP, Grüne und Linke an den Rand gedrängt. Die tief zerstrittene niedersächsische AfD hatte es ohnehin schwer.

Das alles war hilfreich für Weils SPD. Auch im direkten Vergleich mit seinem weniger bekannten Herausforderer lag er in der Wählergunst vorne. Zudem scheint der spektakuläre Wechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU, der die vorgezogene Neuwahl erst nötig machte, den Christdemokraten eher geschadet zu haben. Inhaltlich hatte die CDU beim wichtigsten Wahlkampf-Thema Bildung ein Glaubwürdigkeitsproblem: Althusmann war zwischen 2010 und 2013 selbst einmal Kultusminister, die Wähler trauten der SPD auf diesem Gebiet mehr zu. Auch bei der Inneren Sicherheit konnten die Konservativen nicht genug punkten. Zu allem Überfluss trat auch noch der Landespolizeipräsident kurz vor der Wahl aus der CDU aus – und lobte den SPD-Innenminister öffentlichkeitswirksam.

So hatte Weil zuletzt das Momentum auf seiner Seite und konnte seinen deutlichen Rückstand aufholen. Falls es für eine Fortsetzung von Rot-Grün nicht reicht, stehen für Weil nun schwierige Koalitionsverhandlungen an. Möglich sind eine große Koalition mit der CDU als Juniorpartner oder eine Ampel aus SPD, FDP und Grünen – was die Liberalen aber ausgeschlossen haben.

Der Triumph vom Sonntag gehört Weil – weniger SPD-Chef Schulz, der dem Wahlkampf weitgehend ferngeblieben war. Doch hat der Niedersachse dem gescheiterten Kanzlerkandidaten immerhin ein bisschen Luft verschafft. Eine fünfte Wahlschlappe für die SPD in Folge hätte Schulz kaum im Amt überlebt. Stattdessen kann er sich Hoffnung machen, über den Parteitag im Dezember hinaus Parteichef zu bleiben, während Weil in der Bundes-SPD künftig eine wichtigere Rolle spielen dürfte.

Für die CDU ist der Wahlsonntag dagegen denkbar schlecht verlaufen. Parteichefin Angela Merkel hätte nach den schweren Verlusten bei der Bundestagswahl dringend einen Erfolg gebraucht. Zwar werden CDU-Büchsenspanner Althusmann und die Landespolitik für die Schlappe verantwortlich machen – aber Merkels innerparteiliche Kritiker werden nicht stillhalten.

Geschwächt startet sie nun am Mittwoch in die Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition, während der Friede mit der Schwesterpartei CSU brüchig ist. Nicht einfacher dürften die Verhandlungen dadurch werden, dass sich FDP und Grüne am Sonntag ebenfalls ein blaues Auge geholt haben.

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