Netzwerk Eckiger Tisch Heiko Schnitzler über Fotos und den Fall Edathy

BONN · In der Debatte über die Edathy-Affäre fordern Betroffenengruppen einen besseren Schutz für Kinder. Mit Heiko Schnitzler, dem Sprecher des Eckigen Tisches Bonn, sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

Sie sagen, hinter jedem Nacktfoto im Fall Edathy steht das Schicksal eines Kindes?
Heiko Schnitzler: Ja, kein Kind hat gegen Erwachsene, die es zwingen, sich nackt fotografieren zu lassen, eine Chance. Und jedes Kind bezahlt psychisch dafür, so erniedrigt worden zu sein, wenn es das Erlebnis nicht aufarbeiten kann. Und trotzdem sollen sich Kindernacktfotos weiterhin im legalen Rahmen bewegen können? Es gibt für unser Netzwerk Eckiger Tisch keinen Grund, warum sich ein Erwachsener Nacktfotos fremder Kinder besorgt oder, wie im Fall des Bonner Aloisiuskollegs (Ako), sie in den 1980er und 1990er Jahren sogar von Schutzbefohlenen selbst gemacht hat, als dass er sich da selbst befriedigt. Und das auf Kosten der Kinder, die ja gar keine Worte dafür haben.

Die Konsequenz wäre für Sie also eine Gesetzesverschärfung?
Schnitzler: Es hat tagelang gedauert, bis die Öffentlichkeit überhaupt die betroffenen Kinder in den Blick genommen hat. Ja, wir sind der Meinung, dass der Besitz des Nacktfotomaterials, das sich Herr Edathy wohl über einen längeren Zeitraum besorgte, künftig unter Strafe gestellt werden sollte, auch wenn es nicht als pornographisch angesehen wird. Legal oder illegal? Unrechtsfotos sind allemal illegal, und das darf uns nicht egal sein.

Wenn Sie davon sprechen, dass am Bonner Ako vor Jahrzehnten Hunderte Fotos von Unterstufenschülern gemacht worden sind. Wie geht es diesen Kindern, den inzwischen erwachsenen Fotografierten?
Schnitzler: Wir vom Eckigen Tisch hören von vielen, die die aktuelle Diskussion sehr schmerzt, weil sie sich in die aktuell fotografierten Kinder hineinversetzt fühlen. Auch nach Jahrzehnten ist die Ohnmacht darüber da, weil sie sich bisher von keinem dafür ernst genommen fühlen, dass sie damals für einen Erwachsenen posen mussten. Dass sie sich schämten, obwohl der Erwachsene der Schuldige war.

Wohin sollte die Debatte von Betroffenenseite her jetzt gehen?
Schnitzler: Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass es zu erzwungenen Nacktfotos mit Kindern international nicht mehr kommt. Und wenn Bilder entstanden, dann müssen die Betroffenen hier in Deutschland wenigstens später die Rechte daran bekommen. Im Bonner Fall haben die damals fotografierten Schüler ja die Hunderte von gefundenen Fotos nie gesehen, weil sie nicht benachrichtigt wurden. Das ist mangelnde Aufarbeitung der Verantwortlichen. Betroffene fühlen sich immer noch fremdbestimmt, wenn es keinen würdigen Umgang mit zu Unrecht entstandenen Bildern gibt. Dazu gehört für uns die faire Einbindung der abgelichteten Betroffenen.

Kritiker einer Gesetzesänderung befürchten, dass dann auch keine Strandbilder der eigenen Kinder möglich sein würden...
Schnitzler: Das ist natürlich Quatsch. Privatfotos sollten immer gemacht werden können. Man darf sie nur nicht verkaufen dürfen. Es geht grundsätzlich halt darum, dass die Würde und die Rechte der Kinder nicht angetastet werden.

Zur Person

Heiko Schnitzler war Internatsschüler im Bonner Aloisiuskolleg (Ako) und arbeitet heute als Verleger in Berlin. Der 42-Jährige spricht für den Eckigen Tisch Bonn, das Netzwerk von Missbrauch Betroffener und ihrer Unterstützer, und arbeitet zudem im Betroffenenbeirat des Fonds sexueller Missbrauch mit.

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