Proteste in Düsseldorf Hannelore Kraft schlägt Zorn der Beamten entgegen

DÜSSELDORF · Trillerpfeifen, lautstarke "Lügen-Hanni"-Rufe, Wortbruch-Plakate: Ein Jahr nach der gewonnenen Landtagswahl schlägt der umfrageverwöhnten Hannelore Kraft erstmals die Wut der Gewerkschaften entgegen.

Rund 5000 zornige Beamte schlagen im Regen vor dem Landtag Krach gegen die doppelte Nullrunde für besser verdienende Staatsdiener. Lange war Kraft der Liebling der Beamten. Doch die Sektlaune ist vorbei. Kaum setzt die Ministerpräsidentin den Rotstift an, da peitscht Kraft ein eisiger Wind ins Gesicht.

Die Beamten wehren sich, weil Rot-Grün den Tarifabschluss der Angestellten nicht auf die ganze Beamtenschaft übertragen will. Offen drohen die Protestierer ihrer Dienstherrin mit Verfassungsklage, weil NRW den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Beamtenbund-Chef Meinolf Guntermann spricht von "schleichender Enteignung". Beamte dürften nicht streiken, seit Krafts Kahlschlag lebten in NRW aber 800.000 neue Wutbürger.

DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber sieht einen Vertrauensbruch und weist die Rolle der Beamten als "Sparschwein der Landesregierung" scharf zurück. Wer die Tariferhöhung auf untere Gehaltsstufen bis 2700 Euro monatlich begrenze, wolle die Beamtenschaft spalten.

Während die Beamten vor dem Landtag rebellieren und Kraft mit langer "Pinocchio-Nase" zeichnen, bringt Rot-Grün im Plenum den Entwurf für das "Besoldungsanpassungsgesetz" ein. CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann stellt sich an die Seite der Beamten und wirft Rot-Grün "Wortbruch" vor. Für FDP-Fraktionschef Christian Lindner hat Rot-Grün die Steuereinnahmen der letzten Jahre für Wohlfühlprojekte verschossen.

"Jetzt fehlt das Geld für eine angemessene Bezahlung der Bediensteten." Schon am Vortag hat SPD-Fraktionschef Norbert Römer aber klargemacht, dass Mehrausgaben von 1,3 Milliarden Euro bei voller Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten nicht finanzierbar seien.

In der Regierung hat die rot-grüne Euphorie der ersten Monate Ernüchterung Platz gemacht. Lange hat Kraft den Schuldenberg trotz kräftig sprudelnder Steuereinnahmen weiter aufgetürmt. Die Studiengebühren wurden abgeschafft, das letzte Kita-Jahr gebührenfrei gestellt. Statt mit Blick auf den demografischen Wandel Personal einzusparen, wurden zusätzliche 2000 Stellen im Landesdienst geschaffen.

Jetzt muss mit Blick auf die Schuldenbremse 2020 und eine eingetrübte Konjunktur der Rotstift angesetzt werden. Bis 2015 hat Rot-Grün den Personalbestand tabuisiert - danach müssen Stellen abgebaut werden. Dann dürften die Beamtenproteste an Lautstärke deutlich zunehmen - eine Alternative hat Hannelore Kraft nicht.

In der Bevölkerung genießt Kraft weiter hohe Sympathiewerte - aber schon stichelt FDP-Landeschef Lindner, dass der Glanz der Regierungschefin verblasse. Für CDU-Fraktionschef Laumann wandelt sich die "Landesmutter zur Rabenmutter". Wenn Tarifvereinbarungen nicht mehr 1:1 umgesetzt würden, sei "Matthäi am Letzten".

Die Beamten haben die Hoffnung auf ein Einlenken der Koalition nicht aufgegeben. Das Motto der Demo vor dem Landtag klingt wie das Pfeifen im dunkeln Wald: "Wir sind nicht die Sparschweine der Nation." Die im Kabinett hart umkämpfte Entscheidung aber ist gefallen.

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