Kommentar zum Milchgipfel Gnadenlos

Meinung | Berlin · Fair zum Bauern. Es wäre fast zu schön, wenn deutsche Landwirte, die einen wesentlichen Beitrag zu Wohlergehen und Lebensmittelsicherheit in diesem Land leisten, einen gerechten Preis für ihre Produkte bekämen. Ja, wenn...

 Zwei Kühe stehen auf einer Weide in Gmund am Tegernsee (Bayern).

Zwei Kühe stehen auf einer Weide in Gmund am Tegernsee (Bayern).

Foto: dpa

In diesem Fall sind es die Milchbauern, die aus Angst um ihre Existenz auf die Straße gehen, weil der Preisverfall als Folge des übergroßen Angebotes auf dem Markt tatsächlich dramatisch ist. Damit später niemand sagen kann, er habe es nicht gewusst: Von 20 Cent pro Liter Milch kann kein landwirtschaftlicher Betrieb bei gegengerechneten Kosten für Lohn, Geräte- und Futtereinsatz sowie Pacht und Bedienung von Krediten lange leben. Es geht an die Existenz.

Der Weltmarkt produziert und produziert. Die Marktmenge wird nicht mehr reduziert, die Preise sinken, der Handel drückt die Molkereien, die Molkereien die Bauern. Der Endverbraucher freut sich, aber wenn er richtig hinsieht, kann er sich über einen Milchpreis von 59 Cent im Regal nicht freuen. Denn hinter dem Billigangebot verbirgt sich „Made in Germany“ und keine Billigware. Die Milch macht's?!

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der agrar-affinen CSU muss sich vorhalten lassen, eine Markt- und Preisentwicklung, die bei der Milch seit mehr als zwei Jahren zu beobachten und sich weiter verschärft hat, zu lange laufen gelassen zu haben. Wenn die Ministerkollegen aus anderen EU-Staaten ihren Erzeugern die lange Leine lassen, um einen europäischen Markt, der ohnehin schon übersättigt ist, weiter mit gigantischen Milch-Mengen zu überschwemmen, hätte die Politik längst eingreifen müssen. Sie versuchen jetzt, da der Preisverfall Existenzen in großer Zahl bedroht, gegenzusteuern. Zunächst mit Sofortmaßnahmen wie Existenzhilfen, Steuerentlastungen oder Bürgschaften, aber das sind alles keine strukturellen Reformen, die der Markt und die Bauern, die ganz am Anfang der Erzeugerkette stehen, dringend brauchte. Auf ihren Höfen wird die Milch gemacht. Von dort geht sie an die Molkereien, die wiederum von Discountern gnadenlos im Preis gedrückt werden und dies an die Bauern weiter geben.

Also werden wieder Höfe sterben, weil der Markt über einen langen Zeitraum kein Überangebot verträgt. Vermutlich geht damit wieder Qualität, ein Stück heimische Agrar-Basis verloren, was bedenklich ist. Und der nächste Preisschub nach unten wird kommen. Wenn Landwirtschaftsminister Schmidt tatsächlich an die heilvolle Wirkung eines Branchendialoges „Milch“ glaubt, den er nun ins Leben gerufen hat, dann ist das wunderbar. Der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge. Jetzt müsste er in diesem Fall nur noch in der Lage sein, Milchseen zu verkleinern, eben eine vernünftige Balance zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen. Vermutlich aber ist dies alles nur ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein.

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