Kommentar über Fahrverbote für Dieselautos Gewissenhafte Richter

Meinung | Berlin · Der Steuerzahler darf keinesfalls für Schäden aufkommen, die von der Industrie verursacht wurden, kommentiert Birgit Marschall.

 Richter am Bundesverwaltungsgericht und Anwälte sitzen zu Verhandlungsbeginn in einem Saal des Bundesverwaltungsgerichtes.

Richter am Bundesverwaltungsgericht und Anwälte sitzen zu Verhandlungsbeginn in einem Saal des Bundesverwaltungsgerichtes.

Foto: dpa

Die Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit von Diesel-Fahrverboten hat länger gedauert als erwartet. Die Richter wollen sich nun vier weitere Tage Zeit nehmen, um die Ergebnisse der Verhandlung ausführlich zu prüfen. Das spricht für die große Bedeutung und Tragweite, die die Richter diesem Urteil beimessen.

Und auch dafür, dass sie die Entscheidung, ob die Städte ein Fahrverbot für Dieselautos ohne eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung verhängen dürfen, nicht anderen Gerichten überlassen wollen. Sie wollen offenbar selbst zu einem Urteil kommen. Die Überweisung der Streitfrage an den Europäischen Gerichtshof oder die Rücküberweisung an die Gerichte in Stuttgart und Düsseldorf sind unwahrscheinlicher geworden.

In 70 deutschen Städten werden die EU-Grenzwerte für Stickoxid bereits seit 2010 überschritten. Ausreichende Gegenmaßnahmen in den Kommunen gibt es bisher nicht. Messungen des Umweltbundesamtes zeigen, dass die NOx-Emissionen in vielen Städten allenfalls um jährlich ein, zwei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sinken. Die schlechte Luft kann zu Atemwegs- und auch Krebserkrankungen führen, besonders Kinder und ältere Menschen sind gefährdet. Die EU-Kommission hat deshalb zu Recht ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Wird das Luftproblem nicht bald behoben, drohen empfindliche Strafen.

Das kurzfristig wirksamste Mittel

Die Verhandlung in Leipzig machte deutlich, dass ein „Weiter so“ für die Richter keine Option ist. Die Emissionen müssen runter, und zwar schnell. Umweltexperten halten dafür Diesel- Fahrverbote für das kurzfristig wirksamste Mittel. Würde den Haltern von Fahrzeugen, die sie erst vor zwei, drei Jahren im guten Glauben gekauft haben, die Einfahrt in die Städte verwehrt, wäre dies aber eine Form der Enteignung. Die Richter müssen abwägen zwischen dem Schutz der Umwelt und dem Gesundheitsschutz für viele auf der einen und dem Schutz der Eigentumsrechte für wenige auf der anderen Seite. Diesel-Fahrverbote dürften zudem der Autoindustrie deutlich schaden.

In dieser Abwägung muss der Umwelt- und Gesundheitsschutz für viele schwerer wiegen als die Eigentumsrechte. Zu begrüßen wäre, wenn die Richter die Bundesregierung zwängen, die rechtlichen Grundlagen für eine „Blaue Plakette“ zu schaffen. Dadurch könnten Fahrverbote auf bestimmte Innenstadtzonen und Dieselmodelle beschränkt werden.

Sie würden bundeseinheitlich gelten und wären für die Polizei kontrollierbar. Gleichzeitig muss die Politik die Autoindustrie zwingen, betroffenen Fahrern die kostenlose Hardware-Nachrüstung ihrer Autos anzubieten. Bisher verweigert sich die Branche aus Kostengründen. Sie hat jedoch zuletzt wieder kräftig verdient. Der Steuerzahler darf keinesfalls für Schäden aufkommen, die von der Industrie verursacht wurden.

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