Teilerfolg für G9 Gegner des "Turbo-Abiturs" machen mobil

DÜSSELDORF/BONN · Im Kampf für eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren (G9) haben die Gegner des "Turbo-Abiturs" mit einer Volksinitiative einen Teilerfolg erzielt. Mit der Vorlage von knapp 100 000 geprüften Unterschriften gegen das G8 muss sich der Landtag erneut mit der Forderung befassen.

 In NRW gibt es nur wenige Gymnasien, die ihre Schüler in neun Jahren zum Abitur bringen.

In NRW gibt es nur wenige Gymnasien, die ihre Schüler in neun Jahren zum Abitur bringen.

Foto: dpa

SPD, CDU, FDP und Grüne sowie die Lehrerverbände VBE und GEW lehnen eine "Rolle rückwärts" aber weiter ab und wollen stattdessen die Schüler von Aufgaben entlasten.

Beim Einreichen der Unterschriftenliste für eine Gesetzesinitiative im Landtag verwies G8-Gegner Marcus Hohenstein auf eine Forsa-Umfrage, wonach 76 Prozent aller Bürger in NRW das "Turbo-Abitur" ablehnen. Aus seiner Sicht macht es keinen Sinn, wenn Kinder von acht bis 16 Uhr im Klassenraum lernen sollen. Diesen Kindern fehlten Freiräume für Sport, Hobbys, Freundschaften und außerschulisches Engagement. Nach einer neuen Studie des Tübinger Bildungsforschers Ulrich Trautwein haben Kinder aber auch beim G8 genügend Zeit für Aktivitäten außerhalb der Schule.

Hohenstein drohte mit einem Volksbegehren, falls der Landtag nicht innerhalb von sechs Monaten die Wahlmöglichkeit zum G9 an Gymnasien eröffne. Hohenstein sprach stark emotionalisiert von "Einheitsparteien", die sich gegen das Volk stellten. Wenn die Politiker keine Vernunft annähmen, gäbe es mehr als 1,1 Millionen Eltern, "die sehr viel tun würden, um die Politiker zum Teufel zu jagen". Für ein Volksbegehren zur Änderung des Schulgesetzes sind 1,1 Millionen Unterschriften nötig. Hohenstein erhob den Vorwurf, dass mehr als 20 Städte die Prüfung der Unterschriften verzögert hätten, indem sie Kopien der Bögen abgelehnt hätten.

CDU-Schulexperte Klaus Kaiser forderte das Schulministerium auf, die am Runden Tisch vereinbarte Entlastung der G8-Schüler an allen 800 Gymnasien umzusetzen. Die Lehrergewerkschaft VBE sprach sich für eine G8-Weiterentwicklung aus. Danach soll die Sekundarstufe I am Gymnasium von fünf auf sechs Jahre verlängert und die Oberstufe von drei auf zwei Jahre verkürzt werden.

Das Schulministerium arbeitet derzeit an Entlastungen für die Schüler. Schon im Blick auf das nächste Schuljahr sollen Erlasse und Verordnungen umgesetzt werden. Ziele: die Begrenzung der Hausaufgaben, weniger Klassenarbeiten pro Woche und weniger Nachmittagsunterricht. Bei G8 soll es in den Gymnasien aber bleiben. Die Gesamtschulen führen ihre Schüler bekanntlich in neun Jahren zum Abitur. Die Piraten sind die einzige Partei im Landtag, die sich für eine Rückkehr zur neunjährigen Ausbildung am Gymnasium ausspricht. Hohenstein geht fest von einem Umdenken der anderen Parteien bis zur Landtagswahl 2017 aus.

In der FDP rumort es in dieser Hinsicht schon. In der vorigen Woche hat sich die "Liberale Initiative G9 NRW" gebildet. Mit einem Flugblatt ist sie am Samstag beim Landesparteitag in Siegburg erstmals an die Parteiöffentlichkeit gegangen. Mit ihrer Haltung für G8 befinde sich die NRW-FDP, vertreten durch die Landtagsfraktion, "auf dem Holzweg", sagte Initiator Hartmut Dicke, Basismitglied aus Bochum, gestern unserer Zeitung. Dabei bedeute G8 "Zwangs-Ganztag, mehr Staat sowie weniger Freiheit für Schüler und Familien". Auf der Straße und auf Elternabenden sprächen sich fast alle Betroffenen gegen G8 aus. Dickes Appell an die Partei: "Setzen wir uns jetzt für ein Recht aller Gymnasien in NRW ein, zu G9 ohne verpflichtenden Nachmittagsunterricht zurückzukehren."

Und wie sieht Dicke die Erfolgschancen der Initiative? Schwer einzuschätzen, meinte er, schließlich stünde sie erst am Anfang. Er hoffe aber, "in der Partei ein bisschen Radau zu machen".

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