60. Geburtstag von Frank-Walter Steinmeier Ganz Diplomat und ganz verschwiegen
Berlin · Der Mann aus Deutschland soll seine negativen Gedanken abgeben. So will es "El Mamo", der spirituelle Führer des indigenen Volkes der Kogi von dem Besucher aus Berlin, der auf seiner viertägigen Reise durch Südamerika in einem Kaffeeverarbeitungszentrum in der kolumbianischen Sierra Nevada de Santa Marta eingetroffen ist.
Für Frank-Walter Steinmeier ist der Besuch bei den Kogi kein schlechter Termin, weil der deutsche Außenminister selbst gerne und viel Kaffee trinkt. Steinmeier ist mit dem Hubschrauber für eine gute Stunde zu den Kogi und deren wildem Kaffee geflogen. Irgendwo zwischen Ukraine-Krise, EU- und Nato-Ministerrat und nicht gezählten bilateralen Treffen ist Steinmeier im Februar 2015 in einer Wildnis angekommen, in der Begriffe wie Mobilität, Urbanität oder Globalisierung nur wenig zählen.
Gerade noch hat der deutsche Chef-Diplomat 17 Stunden ohne Pause im weißrussischen Minsk über Frieden oder zumindest einen Waffenstillstand in der Ostukraine verhandelt, ist nach einem Stopp zum Duschen auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel die Nacht über nach Brasilia und dann weiter nach Lima in Peru geflogen. Und jetzt formt er in Kolumbien unter Beobachtung von "El Mamo" seine Hände zu einer Schale, legt dort symbolisch einen negativen Gedanken hinein und gibt diesen bei dem Schamanen der Kogi ab. Was es ist, behält der deutsche Außenminister für sich.
Steinmeier ist ein Handlungsreisender in Sachen Diplomatie, Krisenbewältigung, Konfliktprävention oder Pflege internationaler und bilateraler Beziehungen. Die Welt in acht oder zehn Tagen wäre in seinem Amt möglich. Seit Dezember 2013 ist der SPD-Politiker zum zweiten Mal nach 2005 (bis 2009) Außenminister. Wenn er in den nächsten Monaten nach Dienstzeit noch Klaus Kinkel und Joschka Fischer überholt, ist er nach Hans-Dietrich Genscher (FDP) der zweitlängstgediente deutsche Außenminister.
Kein anderer Minister im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verbringt so viel Zeit im Flugzeug. Der Mann, so hat man den Eindruck, fühlt sich in diesem Amt pudelwohl. Doch wenn Steinmeier am heutigen Dienstag 60 Jahre alt wird, stellt sich auch die Frage: Kommt da noch mehr? Oder bleibt Steinmeier mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl ein Außenminister, dem die Bundeskanzlerin voll vertraut?
Der promovierte Jurist war Leiter des Bundeskanzleramtes, er war von 2007 bis 2009 Vize-Kanzler und auch SPD-Vize. Im September 2009 hatte er als SPD-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl die schlimmste Niederlage der Sozialdemokratie der Nachkriegszeit mit zu verantworten. Absturz auf 23,0 Prozent. Erstmals musste sich die SPD im Angesicht dieses Desasters die bange Frage stellen: Ist ihr Status als Volkspartei in Gefahr? Steinmeier reagierte in der Wahlnacht blitzschnell und erhob den Anspruch auf den einflussreichen Posten des SPD-Fraktionschefs im Bundestag und somit auf die Rolle des Oppositionsführers gegen Schwarz-Gelb.
Im August 2010 erfuhren das politische Berlin und die deutsche Öffentlichkeit von einer weitreichenden, persönlichen Entscheidung des gebürtigen Ostwestfalen. Steinmeier spendete seiner schwer erkrankten Frau, der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, eine Niere und zog sich für mehrere Wochen aus der Politik zurück. Inzwischen feiern sie im Hause Büdenbender-Steinmeier den Jahrestag der Nierentransplantation wie einen Geburtstag.
Heute also blickt Steinmeier auf 60 Jahre Leben zurück und eventuell auch ein Stück nach vorn. Dass Steinmeier 2017 ein zweites Mal als Kanzlerkandidat der SPD antritt, ist höchst unwahrscheinlich. Erstens hat SPD-Chef Sigmar Gabriel deutlich gemacht, dass er zu dieser Kandidatur bereit wäre, wenn seine Partei es will. Zweitens gelten Gabriel und Steinmeier nicht als allerbeste Freunde. Nach Umfragen schlägt der Außenminister den SPD-Chef in der Beliebtheit zwar deutlich. Aber drittens heißt es in SPD-Kreisen, dass eine erneute Kanzlerkandidatur Steinmeiers nicht zu dessen Lebensplanung gehöre.
Doch es gibt noch ein anderes Amt im Lande, das immer wieder mit dem Namen des Außenministers in Verbindung gebracht wird: das des Bundespräsidenten. Steinmeier selbst blockt Fragen nach einer Kandidatur für das höchste Staatsamt bislang routiniert ab. Schließlich ist auch offen, ob Amtsinhaber Joachim Gauck, in wenigen Wochen 76 Jahre alt, 2017 für eine zweite Amtszeit antritt. Im vergangenen April antwortete Steinmeier im "Spiegel" auf die Frage, ob er sich selbst vorstellen könnte, Bundespräsident zu werden: "Ich habe eine klare Vorstellung, und das, was ich mir wünsche, ist, dass Joachim Gauck ein zweites Mal antritt." Das ist hohe Diplomatie.
Steinmeier hat in seiner zweiten Amtszeit als Außenminister immer wieder betont, dass Deutschland mehr Verantwortung übernehmen müsse: "Deutschland ist zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren", sagte er bei der Münchner Sicherheitskonferenz, interessanterweise ebenso wie Bundespräsident Gauck am selben Tag an selber Stelle. Eine stärkere Rolle Steinmeiers? Es liegt nicht an ihm selbst. Er schweigt sich dazu lieber aus.