Affären in Bayern Für Seehofer kommt es knüppeldick

BERLIN · Horst Seehofers Erklärung aus der vergangenen Woche war bereits von einer Eindeutigkeit, die man von dem notorisch wendigen Politiker keineswegs gewohnt ist. Schon deshalb erregte sie Aufmerksamkeit.

Er sprach seiner in die Kritik geratenen Chefin der Staatskanzlei, Christine Haderthauer, sein "volles Vertrauen" aus. "Völlig korrekt" führe sie ihr Amt, ihre Erklärungen seien "voll überzeugend". Deshalb werde er auch künftig "entschieden allen Aktionen entgegentreten, die das erkennbare Ziel verfolgen, Personen herabzusetzen oder sie politisch zu vernichten". Nach einer neuerlichen dreistündigen Krisensitzung am Dienstag bekräftigte er: Er habe seiner Vertrauenserklärung "nichts hinzuzufügen". In der Zwischenzeit hatte die Staatsanwaltschaft München II mitgeteilt, dass sie beabsichtige, gegen Haderthauer ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdacht zu eröffnen.

Der Ministerpräsident und CSU-Chef geht damit ein hohes politisches Risiko ein. Wenn die Staatsanwälte am Ende ihrer Untersuchungen Anklage erheben, ist Haderthauer nicht mehr im Amt zu halten. Aber nicht nur das: Mit Haderthauers Scheitern wäre eine aussichtsreiche Bewerberin für die Seehofer-Nachfolge gestürzt und gleichzeitig Seehofer so geschwächt, dass er Mühe hätte, bis zu seinem geplanten Ausscheiden im Jahre 2018 durchzuregieren. Es geht also schlicht um alles für Seehofer, normalerweise ein Einsatz, den Politiker zu hoch finden. In der CSU gibt es deshalb nicht überall Verständnis für die massive Unterstützung Haderthauers. Skeptiker weisen nämlich zurecht darauf hin, dass der "Fall Haderthauer" ziemlich kompliziert und zum jetzigen Zeitpunkt kaum bewertbar erscheint.

Darum geht es: Haderthauer und der Franzose Roger Ponton waren gemeinsame Gesellschafter eines Kleinunternehmens, das Modellautos verkaufte, die von psychisch kranken Straftätern im Maßregelvollzug hergestellt worden waren. Kein sehr gängiges Unternehmenskonzept also. Haderthauer betont, dass dies alles vor ihrem Einzug in den bayerischen Landtag (2003) lag. Sie sagt, dass Geschäftspartner Ponton ab 1996 nicht mehr erreichbar gewesen sei und erst 2011 wieder auftauchte. Da aber hatte sie ihren Firmenanteil schon längst an ihren Mann verkauft, der wiederum seinen Anteil 2008 weiterverkaufte. Jetzt wird es kompliziert: Ponton forderte eine Entschädigung. Angeblich einigte man sich auf 20 000 Euro. Dann aber entdeckte Ponton, dass mit den Autos - begehrte Sammlerstücke - offenbar hohe Gewinne zu erlösen gewesen waren. Die Rede ist von fünfstelligen Beträgen. Ponton fühlt sich deshalb von den Haderthauers übers Ohr gehauen. Detail am Rande: Es war Ehemann Hubert Haderthauer, der als Arzt im Maßregelvollzug 1988 einen dreifachen Mörder kennenlernte, der in der Arbeitstherapie kunstvolle Modellautos herstellte - der Beginn der lukrativen Geschäftsidee.

Für Seehofer kommt es knüppeldick. In Augsburg wurde gerade Anklage gegen den im vergangenen Jahr von Seehofer in die Wüste geschickten Ex-CSU-Fraktionschef im Landtag, Georg Schmid, erhoben. Er hatte seine Fau als Sekretärin auf Kosten der Steuerzahler angestellt und nach Meinung der Anklage Sozialabgaben und Steuern in Höhe von 340 000 Euro hinterzogen. Formal hatte Seehofer sich rechtzeitig von Schmid getrennt. Aber die Erinnerung an die alte Sache kommt zur Unzeit. Sie addiert sich nun zum schlechten Eindruck, den die Causa Haderthauer macht - und zum "Gschmäckle" - den die wieder mal aufkochende Berichterstattung über die bekannt hohen Nebeneinkünfte des CSU-Vize und Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler auslösen.

Ein starker Politiker kann das aushalten. Jetzt kommt der Urlaub, und danach kann einiges auch wieder in Vergessenheit geraten. Nur ist Horst Seehofer kein so starker Politiker mehr. Der Ruhm der zurückeroberten absoluten CSU-Mehrheit bei den Landtagswahlen 2013 ist längst verblasst. Bei den Europawahlen ist die CSU für ihre Verhältnisse ins Bodenlose (40,5 Prozent) abgestürzt, was auch auf Seehofers dezidiert eurokritischen Kurs zurückzuführen gewesen ist. Seitdem sucht die Partei nach Erfolgen, die das angeknackste Ego päppeln. Natürlich kommt da die Maut in den Sinn. Aber die Dobrindt-Pläne sind selbst in der CSU nicht unumstritten, weil viele CSU-Bürgermeister in grenznahen Gebieten es gar nicht komisch finden, dass der Verkehrsminister den kleinen Grenzverkehr mit einer Art Eintrittsgeld für Ausländer erschweren will.

Auch hier also geht Seehofer hohes Risiko. Sein Problem: Er hat sich abhängig gemacht von Faktoren, die er nicht beeinflussen kann: die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Haltung der EU-Kommission - und die Laune der Bundeskanzlerin.

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