Klirrende Kälte im April Frost führt zu enormen Missernten in Bonn und der Region

Bonn · Kalte Frostnacht im April trifft Apfelbauern im Rheinland hart. Bei manchen Sorten fallen bis zu 90 Prozent der Ernte aus. Einbußen gibt es auch bei anderen Obst- und Gemüsesorten sowie bei Getreide.

 Aus der Not eine Tugend macht Apfelbauer Rainer Dahlhausen. Er setzt auf Tomaten. Bis zur Ernte bereiten die viel Arbeit, da jede der 7500 Pflanzen ein Mal pro Woche inspiziert werden sollte.

Aus der Not eine Tugend macht Apfelbauer Rainer Dahlhausen. Er setzt auf Tomaten. Bis zur Ernte bereiten die viel Arbeit, da jede der 7500 Pflanzen ein Mal pro Woche inspiziert werden sollte.

Foto: Anita Borhau-Karsten

An die Nacht vom 19. auf den 20. April erinnert sich Lothar Krämer mit kaltem Grausen – im Wortsinne kalt. Der für seine Launigkeit verschriene Monat beschert dem Meckenheimer Bio-Obstbauern klirrende Minusgrade, die kein Wetterfrosch und keine Wetter-App fürs Smartphone in der bitteren Intensität vorhergesagt hatte. Temperaturen von bis zu minus 5,5 Grad Celsius, gemessen in einem Meter Höhe, erblickt Krämer in dieser Frostnacht auf seinem Thermometer.

Die Minusgrade lassen vielen der bereits geöffneten Apfelblüten keine Chance: Sie erfrieren. „Bis etwa null Grad Celsius halten sie aus, fallen die Temperaturen deutlich darunter, sieht es schlecht aus“, weiß Krämer. Die Folgen dieser Frostnacht im April treten jetzt zur Erntezeit im September offen zu Tage: Bei vielen Apfelbauern in der Region fällt die Ernte mager aus.

„Durchwachsen“ nennt Lothar Krämer seine Erwartungen an die Apfelernte des Jahrgangs 2017. Traurig wie selten geht er in diesen Tagen durch seine Plantagen. „Sonst hängt jetzt alles voll mit Früchten“, berichtet er. Doch beim Gang durch die Baumreihen mit Elstar wird klar, dass die Ernte für diese Sorte nur gering ausfallen kann. Da aber jetzt erst die ersten Apfelsorten geerntet werden, sei es noch zu früh, das Apfeljahr endgültig zu verdammen. Nur: Fest steht bereits jetzt, dass die Ernteausfälle hoch sein werden. „Wir werden zehn bis 20 Prozent der Apfelernte eines normalen Jahres haben“, sagt der Meckenheimer, der auf seinen Plantagen Bioanbau nach den Demeter-Richtlinien betreibt. Heißt im Umkehrschluss: Bei manchen Sorten fallen bis zu 90 Prozent seiner Ernte aus.

Keine finanzielle Unterstützung zu erwarten

Wie hoch der Schaden alleine für sein Unternehmen zwischen Daumen und Zeigefinger sein wird, lässt sich allerdings noch nicht mit Gewissheit sagen. „Wir werden die Ausfälle in keinem Fall über den Preis kompensieren können“, meint er. „Wir können das nicht auf die Kunden abwälzen. Niemand würde den fünffachen Apfelpreis bezahlen“, fürchtet er. Allerdings werde es eine Art „Frostbonus“ geben.

Da sich das Bewusstsein für regionale Produkt bereits durchgesetzt habe, hofft er, dass seine Abnehmer auch bereit sind, den „Frostbonus“ zu zahlen, wenn sie weiterhin auf regionale Anbieter wie ihn setzen, anstatt etwa Braeburn-Äpfel aus Neuseeland, was einer Wegstrecke von rund 18.700 Kilometern entsprechen würde. Eine finanzielle Unterstützung der betroffenen Landwirte ist aus Krämers Sicht unwahrscheinlich.

Neben der Bodenseeregion, dem Alten Land bei Hamburg ist das Rheinland mit circa 5400 Hektar Anbaufläche laut dem Provinzialverband eines der großen Obstanbaugebiete in Deutschland. Regional konzentriert sich der Anbau im südlichen Rheinland auf den Raum Meckenheim und das Vorgebirge sowie am Niederrhein auf Kempen-Krefeld.

Nicht nur diese eine klirrend kalte Frostnacht im April sieht Obstbauer Alexander Krings aus Rheinbach als Grund für die Ernteausfälle in diesem Jahr. „Wir hatten vor der Nacht vom 19. auf den 20. April auch sehr befruchtungsschwaches Wetter“, berichtet der Rheinbacher Obstunternehmer, der zusammen mit Wilfried Krings die Unternehmensgruppe Krings als Geschäftsführer leitet. Heißt: Wegen der vorherrschenden Kühle des Frühlings zeigten die Bienen wenig Neigung, die aufblühenden Apfelbäume zu bestäuben.

Auf über 150 Hektar eigener Plantagenflächen bauen die Krings, die gleich mehrere Handelsunternehmen beliefern, rund um Rheinbach und im Vorgebirge seit drei Generationen vor allem Äpfel an. Zusätzlich beziehen sie von über 25 Erzeugern aus der Region die knackigen Vitaminspender. „Vor allem die Sorten Jona Gold und Boskop hat es voll erwischt“, berichtet Krings. „70 bis 100 Prozent Ausfall könnte es bei einigen Sorten geben.“ Der Handel werde diesen Mangel mit Äpfeln aus Italien und Frankreich zu kompensieren versuchen, glaubt der Rheinbacher Unternehmer. Wie teuer Äpfel bald werden, sei somit schwer abzuschätzen.

Enorme Investitionen nötig

„So ein Ereignis gibt es nur alle 20 bis 25 Jahre“, sagt Krings aus Erfahrung. Sollten solch verheerende Frosteinbrüche zur Regel denn zur Ausnahme werden, seien für die Anbauer enorme Investitionen vonnöten – etwa in weitläufige Berieselungsanlagen für die Plantagen. Die Frostschutzberegnung der Apfelblüte sorgt dafür, dass sich die Landwirte mittels feinster Wassertröpfchen die physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Verdunstungskälte und Erstarrungswärme zunutze machen. Dank der Erstarrungswärme ist die Blüte in ihrer Eishülle geschützt. Das Problem dieser Schutzvorrichtung, die von einigen Landwirten im Linksrheinischen bereits genutzt wird, ist logistischer Natur: „Dazu braucht es sehr viel Wasser. Das ist kaum umsetzbar.“

Zum Einsatz kommen in Meckenheim und Rheinbach aber Windmaschinen, die wärmere Luft aus höheren Luftschichten ansaugen und in den Plantagen verteilen. Nicht selten geschieht dies nicht gerade zur Freude der Anwohner. Wenn nachts die Windräder angeschaltet werden, klingt es, als starte ein Hubschrauber.

Dem möglichen Minus im Portemonnaie trotzt Obstbauer Rainer Dahlhausen aus Meckenheim mit einer kühnen Idee: Statt der roten Wangen seiner Äpfel betrachtet er jetzt stolz seine neu gezüchteten Tomaten. Er ersetzte kurzerhand ein Viertel seiner Apfelbäume durch Tomatenpflanzen. Zwar investierte der 45-Jährige dafür rund 10 000 Euro, mit seinen Anbauerfolgen ist er aber, trotz des größeren Pflegebedarfs der roten Feldfrüchte zufrieden – besonders geschmacklich. „Man schmeckt den Unterschied zu Tomaten aus dem Gewächshaus“, findet Dahlhausen.

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