Kommentar zur Lage nach der Saar-Wahl Frische Luft

Meinung · Der Wahl im Saarland hat gezeigt, dass die Volksparteien nicht am Ende sind. Doch nun müssen sie diesen Schub nutzen, ihre Mitglieder handeln lassen und so die Demokratie erneuern.

 SPD Kanzlerkandidat Martin Schulz (M) applaudiert Anke Rehlinger (r) Spitzenkandidatin im Saarland und Heiko Maas, Landesvorsitzender im Saarland am Montag in Berlin in der SPD Parteizentrale.

SPD Kanzlerkandidat Martin Schulz (M) applaudiert Anke Rehlinger (r) Spitzenkandidatin im Saarland und Heiko Maas, Landesvorsitzender im Saarland am Montag in Berlin in der SPD Parteizentrale.

Foto: picture alliance / Michael Kappe

Die Krise der Demokratie ist abgesagt. Seit Sonntag wissen wir, dass die Volksparteien mitnichten am Ende sind, sondern im großen Umfang ehemalige Nichtwähler mobilisieren (CDU) oder viele Neueintritte verzeichnen (SPD). Wenn die beiden Großen im Wahlkampf deutlich machen, dass sie für unterschiedliche Programme stehen, kommen auch die Wähler wieder. Die haben inzwischen verstanden, was ihnen droht, wenn sie sich nicht um die Politik kümmern. Der Erfolg des Populismus in Europa und Nordamerika produziert in Deutschland eine kräftige Gegenbewegung. Die Krise der Demokratie findet offenbar vorwiegend in den Feuilletons der Medien und den Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens statt. Im wahren Leben ist man da viel besonnener unterwegs.

Besonders heftig erfährt die AfD, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Sie schaffte zwar den Einzug in den Landtag, ist aber weit entfernt von einer Merkel-muss-weg-Euphorie. Sie kann angesichts ihrer Zerstrittenheit froh sein, die Fünf-Prozent-Hürde überhaupt genommen zu haben. Die Partei verliert mit dem Niedergang des Flüchtlingsthemas. Petry und all ihre Widersacher schaffen es trotz bester Voraussetzungen nicht, eine feste Position zu gewinnen. Wenn die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung bis zum Herbst hält, hat sie dazu wenig Chancen. Sie wird sich mittelfristig sogar um ihr Überleben sorgen müssen. Es bleibt der AfD nur noch wenig Zeit, sich als Partei des rechten Flügels zu konsolidieren. Dafür bräuchte sie Politiker, die sich an die Spielregeln des demokratischen Miteinanders halten, und die eine charakterliche Eignung mitbringen, Verantwortung zu übernehmen. Derzeit sieht es da eher trübe aus.

Das Thema Rot-Rot-Grün mag im Saarland nicht verfangen haben, weil die Bürger Oskar Lafontaine nicht wiederhaben wollten. Der Dämpfer für Schulz wird das Thema in den Hintergrund drängen. Abgeschlossen ist das Kapitel jedoch nicht. Die SPD hat auf längere Sicht die realistische Chance, dem Zwang zu Koalitionen mit der CDU zu entkommen und den Kanzler zu stellen. Ob man dieses Bündnis mag oder nicht – es wäre auch eine Möglichkeit, die Unterschiede zwischen den Parteien und Lagern wieder deutlicher zu machen. Das stärkt die Demokratie, die an zu viel Konsens erstickt. Das Saarland hat das Fenster einen Spalt weit geöffnet. Es muss noch viel mehr frische Luft hinein.

Die demokratischen Parteien sind jetzt gefordert. Sie müssen den Schub nutzen. Sie müssen sich öffnen und neue Wege beschreiten. Wer neue Mitglieder erst einmal ein paar Jahre lang Plakate kleben und Flugzettel verteilen lässt, bevor sie etwas bewegen dürfen, macht einen Fehler. Wer jetzt in die Politik kommt, will etwas tun. Wer sie in die herkömmlichen Parteiroutinen schickt, hat nicht verstanden, dass die Demokratie sich immer wieder erneuern muss. Der Grundstein ist gelegt. Jetzt sind die Demokraten am Zug.

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